Tigray-Konflikt Äthiopische Rebellen rücken weiter vor

Die Volksbefreiungsfront von Tigray meldet die Einnahme von zwei strategisch wichtigen Städten. Äthiopiens Regierung dementiert das zwar, hat in der betroffenen Region aber de facto den Notstand ausgerufen.
Kämpfer der äthiophischen Armee (Archivbild): empfindlicher Rückschlag

Kämpfer der äthiophischen Armee (Archivbild): empfindlicher Rückschlag

Foto: Amanuel Sileshi / AFP

Nach einem Vorstoß der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) auf die strategisch wichtige Großstadt Dessie hat die betroffene äthiopische Amhara-Region de facto den Notstand ausgerufen.

Mit wenigen Ausnahmen müssen ab sofort alle Regierungseinrichtungen die Kriegsanstrengungen unterstützen, wie es in einem »Dringenden Handlungsaufruf« hieß. Alle Fahrzeuge werden für das Militär requiriert; die Sicherheitskräfte dürfen ausdrücklich gegen jeden vorgehen, der die Kriegsanstrengungen behindert. Zudem sind alle Aktivitäten in den Kommunen nach 20.00 Uhr verboten, wie der Staatsrat der Amhara-Region verkündete.

Zuvor hatte Äthiopiens Regierung mitgeteilt, ihre Truppen hätten sich zu einem taktischen Rückzug aus Teilen Dessies entschlossen, um zivile Opfer zu vermeiden. Die TPLF hatte am Vortag erklärt, sie habe die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Die Zentralregierung bestritt das zunächst. Regierungssprecher Legesse Tulu gab aber am Sonntag bekannt, dass es weiter heftige Gefechte in und um Dessie und auch der Nachbarstadt Kombolcha gebe. Unabhängige Angaben gab es angesichts der weitgehend blockierten Telefon- und Internetverbindungen zunächst nicht.

Die beiden Städte Dessie und Kombolcha gelten als strategisch wichtig. Sie liegen an einer Hauptverkehrsader, die in die knapp 400 Kilometer südlich gelegene Hauptstadt Addis Abeba führt. Ministerpräsident Abiy Ahmed betonte am Abend, die Regierungstruppen kämpften an vier Fronten gegen die TPLF.

Die US-Regierung hatte bereits am Samstag auf erste Berichte über einen Fall der Stadt mit einem Aufruf an beide Seiten reagiert, unverzüglich Verhandlungen über eine Waffenruhe ohne Vorbedingungen aufzunehmen. Zudem solle sich die TPLF aus den an Tigray grenzenden Regionen Afar und Amhara zurückziehen und Artilleriebeschuss von Städten vermeiden. Es gebe keine militärische Lösung für den Konflikt, so US-Außenamtssprecher Ned Price.

Der militärische Konflikt begann vor rund einem Jahr, als Abiy anfing, die in der Tigray-Region an der Macht befindliche TPLF zu verdrängen. Sie dominierte Äthiopien gut 25 Jahre lang, bis Abiy 2018 an die Macht kam. Viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und fordern mehr Autonomie. Seit Anfang August weitet sich der Konflikt auf die Nachbarregionen Afar und Amhara aus. Die Auseinandersetzungen haben zu einer schweren humanitären Krise im Norden des Landes geführt.

In den sozialen Medien mehren sich Aufrufe, die einen Ausschluss von Tigrayern aus Äthiopiens öffentlichem Leben fordern. Tulu rief die Öffentlichkeit dazu auf, nicht näher benannte »Verräter« aufzuspüren und zu isolieren. Auch Abiy forderte, sehr genau diejenigen zu beobachten, »die für den Feind arbeiten und unter uns leben«.

mic/dpa-afx

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