Trump und Biden bei konkurrierenden Townhalls Der eine punktet, der andere patzt

Zwei Kandidaten, zwei Townhalls: Biden und Trump
Foto: JIM WATSON / AFPDie zweite Debatte war gar keine. Statt sich, wie bei ihrem ersten TV-Duell, direkt gegenüberzustehen, saßen US-Präsident Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden diesmal fast 2000 Kilometer voneinander entfernt. Der eine auf einer Open-Air-Bühne in Miami, der andere in einem Museum in Philadelphia.
Zwei Kandidaten, zwei zeitgleiche Sendungen, die eine laut und konfrontativ, die andere ruhig und höflich: Der bizarre Splitscreen machte es den Zuschauern schwer, der fernmündlichen Debatte zu folgen - doch sie symbolisierte zugleich die zwei Amerikas, die sich bei diesen Schicksalswahlen unversöhnlich gegenüberstehen.
Viel geändert dürfte sich dabei auch am Donnerstagabend nicht haben. Trotzdem war die Doppelshow bezeichnend. Die wichtigsten Punkte:
1. Warum zwei Townhalls?

Doppelt gemoppelt: Biden und Trump auf zwei Fernsehern in Florida
Foto: OCTAVIO JONES / REUTERSDie simultanen Townhalls hatten einen ernsten Hintergrund. Nach Trumps Covid-19-Diagnose beschlossen die Organisatoren, seine zweite TV-Debatte mit Biden nur virtuell abzuhalten. Das lehnte Trump ab, worauf die Debatte abgesagt wurde. Als Biden als Ersatz einen Solo-Auftritt im TV-Network ABC ansetzte, vereinbarte Trump mit NBC, dem alten Haussender seiner Realityshow "The Apprentice", prompt seine eigene Fragerunde - zur selben Zeit. "Eine Stunde Gratis-Fernsehwerbung", prahlte er und beleidigte NBC dann auch noch via Twitter als "fake news".
I will be doing a major Fake @NBCNews Town Hall Forum, live tonight from Miami, at 8:00 P.M. They asked me to do it in place of the Rigged Steve Scully (he is now suspended from @cspan for lying) Debate. I wonder if they’ll treat me as well as Sleepy Joe? They should!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 15, 2020
Die Entscheidung von NBC, seine einstündige Sendung parallel zu Bidens 90-minütiger Townhall anzusetzen, löste auch in den eigenen Reihen Empörung aus. Dutzende NBC-Stars protestierten offen dagegen, darunter Alec Baldwin ("Saturday Night Live") und Mariska Hargitay ("Law & Order: SVU"). Am Ende entpuppte sich das Format jedoch als wesentlich aufschlussreicher als der Schreikampf vom letzten Mal.
2. Wie schlug sich Trump?

Open-Air-Fragestunde: Trump mit Moderatorin Savannah Guthrie in Miami
Foto: CARLOS BARRIA / REUTERSBei den meisten Fragen wich Trump aus, griff zu abgedroschenen Phrasen und offensichtlichen Lügen - und ließ sich von Moderatorin Savannah Guthrie, die ihn eiskalt hinterfragte, immer wieder aus der Ruhe bringen.
Er weigerte sich zu sagen, ob ein Corona-Test bei ihm vor der letzten Debatte negativ ausgefallen sei ("Erinnere mich nicht"). Er machte erneut die Familien gefallener Soldaten für seine Infektion verantwortlich ("Die fassten mich an"), log über die Corona-Situation in den USA ("In New York herrscht Chaos") und behauptete fälschlicherweise: "Wir haben Heilmittel."
Er vermied es, die Anhänger des gefährlichen Verschwörungskults QAnon zu verurteilen ("Ich weiß nichts über die... sie sind gegen Pädophilie") und wetterte lieber gegen Antifa-Protestler ("Sie brennen unsere Städte nieder"). Er beschimpfte die Medien - die ihm die Bühne boten - als "korrupt". Er nannte die Enthüllungen der "New York Times", wonach er um mehr als 400 Millionen Dollar verschuldet sei, "illegal" - bestätigte sie aber dann, indem er das als "sehr kleine Summe" rechtfertigte. Er wirkte irritiert, verzog oft genervt das Gesicht und redete viel zu schnell. Erst am Schluss mühte er sich ein bisschen Charme ab.
3. Wie schlug sich Biden?

Staatstragend: Biden und Moderator George Stephanopoulos in Philadelphia
Foto: TOM BRENNER / REUTERSJoe Biden war gut vorbereitet. Er präsentierte seinen Plan zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die er meistern will, ohne das Land erneut in einen kompletten Lockdown zu schicken. Er kritisierte Trump dafür, die Risiken von Covid-19 herunterzuspielen: "Er sagte, er habe niemandem etwas gesagt, weil er Angst hatte, dass die Amerikaner panisch würden. Amerikaner werden nicht panisch. Er wurde panisch."
Eine Frage, die die US-Öffentlichkeit umtreibt: Würde Biden als Präsident die Zahl der Richter am Supreme Court erhöhen, wenn die Republikaner die konservative Trump-Kandidatin Amy Coney Barrett noch vor der Wahl bestätigten? Erneut ließ er sich nicht darauf ein, versprach aber, noch vor der Wahl eine klare Antwort zu geben. "Es kommt darauf an, wie der Prozess läuft", erklärte er.
Bidens Townhall war staatstragender als Trumps, seine Antworten waren teils langatmig, manchmal verlor er sich in den Details. Doch er sprach viel von Anstand, vom Brückenbauen und darüber, wie er in der Zukunft mit Republikanern kooperieren wolle. "Es gibt Wege zusammenzukommen."
4. Was waren die Highlights?

Keine Zeit für Lügen: NBC-Moderatorin Savannah Guthrie
Foto: Evan Vucci / APNBC-Moderatorin Guthrie gab Trump kräftig Konter. Anders als Chris Wallace von Fox News, dem die letzte Debatte entglitten war, konfrontierte sie Trump mit seinen Lügen, korrigierte ihn live und ließ sich nicht über den Mund fahren. Als er während der Corona-Diskussion behauptete, "85 Prozent der Leute, die Masken tragen, kriegen es", widersprach sie: "Das stimmt nicht." Als er tat, als wisse er nichts über QAnon, unterbrach sie ihn: "Wissen Sie doch!" Als er seine alte Lüge vom drohenden massiven Wahlbetrug wiederholte, entgegnete sie: "Dafür gibt es keinerlei Beweise."
Auch stellte sie ihn für seine wilden Tweets und Retweets von Desinformation, Verschwörungstheorien und Propaganda zur Rede: "Sie sind doch nicht irgendein verrückter Onkel!" Worauf Trumps Nichte Mary Trump mit ihrem eigenen Tweet reagierte: "Ehrlich gesagt..."
Actually . . . https://t.co/tdmNIjBP4j
— Mary L Trump (@MaryLTrump) October 16, 2020
Bei Biden stand wieder einmal der menschliche Aspekt im Vordergrund. So wurde er gefragt, was es bedeuten würde, wenn er die Wahl verlöre. Seine Antwort war ungewöhnlich bescheiden: "Es könnte heißen, dass ich ein miserabler Kandidat war und keinen guten Job gemacht habe", sagte er. "Ich hoffe aber, dass es nicht sagt, dass wir so ethnisch und religiös uneins sind, wie der Präsident möchte."
Er fügte hinzu: "Ich glaube, die Menschen brauchen Hoffnung. Ich war noch nie optimistischer, was die Aussichten dieses Landes angeht. Das meine ich wirklich so. Ich glaube, Menschen sind so weit, sie verstehen, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht um Demokraten oder Republikaner. Ich trete als stolzer Demokrat an, aber wenn ich gewählt werde, dann werde ich mich um die, die mich nicht gewählt haben, genauso kümmern, wie um die, die mich gewählt haben. Wir müssen diese Nation heilen."
5. Wer hat gesiegt?

Gegeneinander nebeneinander: Demonstranten für beide Kandidaten in Philadelphia
Foto: MARCO BELLO / REUTERSTrump hatte gehofft, Biden zumindest mit besseren Einschaltquoten auszustechen, doch er hat sich mit diesem Trotz-Auftritt keinen Gefallen getan. Er wirkte störrisch, überfordert, leicht erschöpft und hatte nichts Neues zu bieten. Unentschlossene Wähler dürfte er damit kaum auf seine Seite gezogen haben. Nicht mal drei Wochen vor der Wahl, bei dem die Umfragen vor allem in den Swing States immer weiter gegen ihn kippen, war dies eine weitere vertane Chance.
Das Format Townhall liegt Biden. Er erklärte ruhig und ausführlich und wurde - im krassen Gegensatz zum ersten Duell - nicht ständig unterbrochen. Seine Zugänglichkeit zeigte sich ganz zum Schluss besonders deutlich: Weil nicht alle Fragesteller drangekommen waren, blieb er vor Ort, um ihre Fragen zu beantworten. Schwer vorstellbar, dass Trump etwas Ähnliches einfiele.