Rechte Propaganda Fox-News-Moderator Carlson empört mit Videozusammenschnitt zum Kapitolsturm

US-Republikaner verbreiten Lügen über den Kapitolsturm, Fox-News-Moderator Tucker Carlson wird dabei zum Komplizen. Jetzt aber sind SMS publik geworden, die belegen, wie er über Donald Trump herzog.
Fox-News-Moderator Carlson (l.) mit Ex-US-Präsident Trump im Juli 2022

Fox-News-Moderator Carlson (l.) mit Ex-US-Präsident Trump im Juli 2022

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Seth Wenig / AP

Der US-Moderator Tucker Carlson ist für sein eigenwilliges Verhältnis zur Wahrheit bekannt. In der Vergangenheit gab der langjährige Unterstützer des früheren US-Präsidenten Donald Trump sogar offen zu, in seiner Sendung auf Fox News bisweilen Lügen verbreitet zu haben. Nun aber will Carlson mit einer Auswertung von Videoaufnahmen des Sturms auf das US-Kapitol im Januar 2021 neue Erkenntnisse erlangt haben, die der Öffentlichkeit zuvor angeblich vorenthalten worden seien.

In seiner am Dienstagabend (Ortszeit) unter anderem auf Twitter  verbreiteten Darstellung folgt der Moderator der Darstellung Trumps, der immer wieder fälschlicherweise behauptet, beim Sturm auf das Kapitol seien lediglich friedliche Demonstranten unterwegs gewesen. »Wirklich niemand in Washington, Republikaner oder Demokrat, will diese Aufnahmen heute Nacht veröffentlicht sehen«, raunte Carlson auf Twitter – und präsentierte seine an Verschwörungsmythen nicht arme Lesart.

Carlson verbreitet neue Verschwörungsmythen

»Die Aufnahmen zeigen weder einen Aufstand noch einen Aufruhr im Gange«, so Carlson. Vermutlich hätten Bundesagenten die Gewalt damals mit ermöglicht, behauptete er, ohne dies belegen zu können. Dem Moderator zufolge hätten die Demokraten mit ihrem Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des Kapitols nur davon ablenken wollen, dass die Präsidentenwahl im Jahr 2020 »ein schwerer Verrat an der amerikanischen Demokratie« gewesen sei. Damit griff er erneut Trumps Lüge auf, wonach dessen Wahlniederlage gegen den derzeitigen Präsidenten Joe Biden nur auf Manipulationen zurückzuführen sei.

Bereits die exklusive Übergabe Zehntausender Stunden Videomaterial von den Ausschreitungen 2020 an Carlson durch den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, hatte Ende Februar für Kritik gesorgt. McCarthy hatte die Zusammenarbeit seiner Partei mit dem Untersuchungsausschuss in der Parlamentskammer zur Kapitolattacke sabotiert. Die Weitergabe des Videomaterials an Carlson verteidigte er am Dienstag erneut.

Insbesondere Carlsons Aussagen über ein angebliches Mithelfen der Sicherheitskräfte sorgt nun für Empörung. Der Chef der Kapitolpolizei, Tom Manger, nannte Carlsons Zusammenschnitt des Videomaterials irreführend. »Die Sendung wählte zweckdienlich die ruhigeren Momente unserer 41.000 Stunden Videomaterial aus«, kritisierte er in einem internen Memo, das US-Medien vorlag.

Ein Ausschuss hatte die Attacke aufgearbeitet und kurz vor Weihnachten seinen Abschlussbericht vorgelegt , in dem Trump maßgebliche Verantwortung für die Erstürmung des Kapitols zugewiesen wurde – auch durch eine Auswertung des umfangreichen Videomaterials und etliche Zeugenaussagen.

Das Gremium empfahl auch eine strafrechtliche Verfolgung des früheren Präsidenten in mehreren Anklagepunkten. Ob das Justizministerium tatsächlich strafrechtliche Schritte gegen Trump einleiten wird, ist offen, denn die Empfehlung ist rechtlich nicht bindend.

Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger bei einer Rede mit der vielfach widerlegten Behauptung aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.

Kritik auch von Republikanern

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, nannte Carlsons Sendung eine »der beschämendsten Stunden, die wir je im Fernsehen gesehen haben«.

Auch Republikaner äußerten sich kritisch. Der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, wertete es als »Fehler«, dass Fox News die Erstürmung des US-Kapitols auf diese Weise darstellte. »Meiner Meinung nach beschreibt der Chef der Kapitolpolizei korrekt, was die meisten von uns am 6. Januar aus erster Hand miterlebt haben.« Der republikanische Senator Mitt Romney nannte Carlsons Sendung »absurd« und »Unsinn«. Andere Republikaner aus dem Repräsentantenhaus lobten die Sendung hingegen.

Trump bezeichnete die Darstellungen Carlsons als »unwiderlegbare« Beweise, dass die Demonstranten vor dem Kapitol fälschlicherweise für Verbrechen verantwortlich gemacht würden. Trump forderte zudem die Freilassung von Menschen, die im Zusammenhang mit dem Kapitolsturm für schuldig befunden worden waren oder Taten eingeräumt hatten.

Zweifel an der Korrektheit von Fox-News-Beiträgen

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Senders Fox News, der Ex-Präsident Trump lange loyal verbunden war, drängen sich indes auch ganz allgemein auf. Zuletzt hatte der Fox-News-Eigentümer Rupert Murdoch zugegeben, dass einige Moderatoren seines Senders bewusst Lügen über die Präsidentschaftswahl 2020 verbreitet haben. Das geht aus Gerichtsdokumenten hervor, die eidesstattliche Aussagen des 91-jährigen Medienmoguls von Anfang Februar wiedergeben.

Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass Carlson und andere Fox-Moderatoren Angst hatten, in der Gunst der Zuschauer zu sinken, wenn sie Trumps Mär vom Wahlbetrug nicht unterstützen. Carlson hat eine tägliche Abendsendung auf Fox News, die im Schnitt gut drei Millionen Zuschauer hat. Sein auf Twitter veröffentlichter Videozusammenschnitt erreichte in kurzer Zeit ebenfalls Millionen Aufrufe.

Wandte sich Carlson von Trump ab?

Carlson galt lange als glühender Unterstützer Trumps. Laut einem Bericht der »Washington Post « vom Dienstag ätzte der Moderator allerdings zeitweise gegen den Ex-Präsidenten. Demnach soll Carlson in einem Bericht an einen Kollegen am 4. Januar 2021, also nur zwei Tage vor dem Sturm auf das Kapitol, an einen Kollegen geschrieben haben: »Wir sind sehr, sehr kurz davor in der Lage zu sein, Trump die meisten Abende zu ignorieren.« Er könne es »wirklich nicht abwarten«, so Carlson dem Bericht nach weiter.

Darüber hinaus soll Carlson geschrieben haben, er hasse Trump inbrünstig. »Worin er gut ist, ist Sachen zu zerstören«, so der Moderator über Trump. Darin sei der Ex-Präsident »unbestritten Weltmeister«. Diese Fähigkeit fürchtete Carlson offenbar auch selbst. »Er könnte uns einfach zerstören, wenn wir es falsch anstellen«, so Carlson. Zumindest in seinem jüngsten Videozusammenschnitt scheint er nun wieder auf die Linie des Ex-Präsidenten einzuschwenken.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels entstand der Eindruck, Donald Trump sei Mitglied des Repräsentantenhauses. Das ist er nicht. Wir haben die Stelle angepasst.

fek/dpa/AP
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