Gescheiterter Putschversuch in der Türkei 337 Personen zu lebenslanger Haft verurteilt

Über 300 Menschen müssen nach dem Umsturzversuch in der Türkei lebenslang ins Gefängnis. Mit teils extremen Strafen sollen offenbar frühzeitige Haftentlassungen verhindert werden.
Panzer auf der inzwischen offiziell als »Brücke der Märtyrer des 15. Juli« bezeichneten Bosporusbrücke am Tag nach dem Putschversuch

Panzer auf der inzwischen offiziell als »Brücke der Märtyrer des 15. Juli« bezeichneten Bosporusbrücke am Tag nach dem Putschversuch

Foto: MURAD SEZER/ REUTERS

Mehr als vier Jahre nach dem Putschversuch gegen die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat ein Gericht in Ankara mehr als 300 Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt.

337 Angeklagte wurden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu des Bruchs der Verfassung, der »versuchten Ermordung des Präsidenten« und des Totschlags für schuldig befunden, wie aus den Gerichtsdokumenten hervorging.

60 weitere Angeklagte wurden demnach zu Haftstrafen zwischen sechs und 17 Jahren verurteilt. 75 Personen erhielten Freisprüche. In dem Verfahren waren mehrere Hundert Menschen angeklagt.

Besonders hohe Strafen wurden laut Anadolu gegen einige Zivilisten und Militärangehörige ausgesprochen. Sie sollen den Putsch auf dem Armeeflugplatz Mürted (früher: Akinci) nahe Ankara teils organisiert und eingeleitet haben.

79-mal lebenslang – pro Person

So erhält etwa der Pilot Hasan Husnu Balikci, dem ein Bombenangriff auf das Parlament in Ankara angelastet wird, eine 79-fache lebenslange Gefängnisstrafe. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters besteht damit keine Möglichkeit auf Entlassung.

Auch vier Männer, die dem Gericht nach ein Attentat auf den Präsidenten geplant hatten, wurden zu 79-facher lebenslanger Haft verurteilt. Das extreme Strafmaß hat laut der Nachrichtenagentur AFP die 2004 in der Türkei abgeschaffte Todesstrafe ersetzt.

Am Abend des 15. Juli 2016 hatten Teile des Militärs gegen die Regierung Erdoğan geputscht. In Istanbul und der Hauptstadt Ankara gab es Gefechte zwischen Putschisten und staatstreuen Sicherheitskräften. Die Putschisten setzten Panzer und Kampfjets ein und feuerten unter anderem auf Zivilisten, die sich ihnen entgegenstellten und damit einem Aufruf Erdoğans gefolgt waren.

Türkische Regierung macht Gülen-Bewegung verantwortlich

Auch das Parlamentsgebäude in Ankara wurde beschossen. Der Luftwaffenstützpunkt Mürted in der Nähe der Hauptstadt war dabei eine wichtige Basis der Umstürzler in der Putschnacht. Insgesamt waren bei dem gescheiterten Staatsstreich mehr als 250 Menschen getötet und 2000 verletzt worden.

Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen weist das zurück. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu sagte Anadolu zufolge, dass bis zum heutigen Tag 292.000 Menschen in Einsätzen gegen die Gülen-Bewegung festgenommen wurden. 96.000 seien verhaftet worden. Die Suche nach Beteiligten gehe seit 2016 ohne Unterlass weiter.

fek/dpa/AFP/Reuters
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