Türkisch-griechischer Grenzstreit Provokation aus Prinzip

Türkisches Forschungsschiff "Oruc Reis": Erdoğan bemüht sich, Fakten zu schaffen
Foto: YORUK ISIK / REUTERSDem türkischen Außenminister genügten zwei Worte: "Oruc Reis" twitterte Mevlüt Çavuşoğlu am Sonntag. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis" abermals in Richtung Griechenland aufgebrochen war.
Deutlicher als Çavuşoğlu hätte man es nicht zum Ausdruck bringen können, worum es bei dieser Mission geht: um eine Provokation.
Stänkern statt verhandeln
Seit Monaten streiten die Türkei und Griechenland um Gas und Grenzen im Mittelmeer. Zwischenzeitlich gingen die Scharmützel so weit, dass Beobachter vor einem Krieg zwischen den beiden Nato-Partnern warnten. Auf Initiative Deutschlands war es im Herbst gelungen, den Konflikt vorübergehend zu entschärfen. Noch im Oktober sollten Türken und Griechen zu Sondierungsgesprächen zusammenkommen.
Dazu dürfte es nun erst mal nicht kommen. Indem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die "Oruc Reis" erneut in Richtung Griechenland schickt, macht er deutlich, dass ihm Stänkereien wichtiger sind als ernsthafte Verhandlungen. "Die türkische Regierung will zeigen, wie furchtlos sie ist, wenn es darum geht, türkische Interessen im östlichen Mittelmeer zu verteidigen", sagt Sinan Ülgen, türkischer Ex-Diplomat und Leiter des Istanbuler Thinktanks Edam.
Dabei ist der Grund für den Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei relativ banal. Im Kern geht es darum, welchem Staat welcher Anteil am östlichen Mittelmeer zusteht. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 sieht vor, dass Staaten in einem Radius von 200 Meilen um ihre Inseln in einer sogenannten "Ausschließlichen Wirtschaftszone" (AWZ) Rohstoffe ausbeuten dürfen. Die türkische Regierung fühlt sich ungerecht behandelt. Da mehrere griechische Inseln nur wenige Kilometer von der Türkei entfernt liegen, ist der Umfang der türkischen AWZ sehr viel kleiner, als es Ankara gern hätte.
Die Auseinandersetzung ist eher symbolisch, denn in den umstrittenen Gewässern existieren wohl nur geringe Gasvorkommen, die überhaupt gewinnbringend erschlossen werden könnten. Doch sowohl die türkische wie auch die griechische Seite haben das Thema durch ihre nationalistische Rhetorik aufgeladen. Es geht längst nicht mehr um juristische Fragen, sondern um nationale Souveränität.
Maas fordert Ende der türkischen Provokationen
Erdoğan bemüht sich, Fakten zu schaffen, indem er die "Oruc Reis" seismische Untersuchungen durchführen lässt. "Die Türkei kämpft im Mittelmeer nicht nur um Rohstoffe, sondern auch um eine Vormachtstellung in der Region", sagt Ilke Toygür, Türkei-Expertin am spanischen Elcano Royal Institut. Erdoğan, glaubt sie, dürfte auch auf den Druck seines ultranationalistischen Koalitionspartners, der MHP, reagieren, der einen harten Kurs gegenüber Athen beschwört.
Griechenland reagierte prompt auf die Provokation und forderte am Montag Sanktionen gegen Ankara, und das, obwohl die "Oruc Reis" gegenwärtig noch rund 80 Kilometer südlich der griechischen Insel Kastelorizo stationiert ist. Eigentlich hatten sich die EU-Staaten gerade erst darauf geeinigt, das Verhalten der Türkei im Dezember erneut bewerten zu wollen. "Es gibt eine Eskalation. Also müssen wir auch nicht länger warten", sagte nun aber ein Sprecher der griechischen Regierung.
Eine rasche Beilegung des Konflikts ist durch den jüngsten Schlagabtausch unwahrscheinlich geworden. Die Europäer und die Türkei befinden sich stattdessen einmal mehr auf Kollisionskurs. Außenminister Heiko Maas sagte eine geplante Reise nach Ankara kurzerhand ab und forderte ein Ende der Provokationen, stattdessen besucht er Zypern und Griechenland. "Erdoğan hat eine Situation geschaffen, bei der alle Seiten nur verlieren können", bilanziert Ex-Diplomat Ülgen.