Nach Festnahmen von Kritikern Tausende protestieren in Tunesien gegen Präsident Saied

Die Tunesier fürchten um ihre Demokratie. Präsident Saied sichert sich immer mehr Macht und geht verstärkt gegen politische Gegner vor. Nun kam es zur bisher größten Kundgebung gegen das Staatsoberhaupt.
Protest in Tunis: Tunesiens Präsident Saied steht auch wegen der wirtschaftlichen Not im Land unter Druck

Protest in Tunis: Tunesiens Präsident Saied steht auch wegen der wirtschaftlichen Not im Land unter Druck

Foto: ZOUBEIR SOUISSI / REUTERS

Tunesiens Präsident Kais Saied steht seit Längerem in der Kritik. Nach einer Welle von Festnahmen von Oppositionellen ist es nun zur bislang größten Protestkundgebung gegen das Staatsoberhaupt gekommen. Tausende gingen am Samstag in Tunis auf die Straße.

Die Demonstrierenden kamen im Zentrum der Hauptstadt zusammen, um gegen Saieds politischen Kurs und die sich verschlechternde Lage im Land zu demonstrieren, wie Augenzeugen berichteten. Der einflussreiche tunesische Gewerkschaftsverband UGTT, der einer der wichtigsten Gegenspieler des Präsidenten ist, hatte zu dem Protest aufgerufen.

»Unterdrückung und Tyrannei« werde es in Tunesien nicht geben, sagte Gewerkschaftschef Noureddine Taboubi vor dem Hauptquartier der Organisation. »Wir haben keine Angst vor Gefängnissen oder Verhaftungen«, rief er der Menge zu. Auf Transparenten waren Aufschriften zu lesen wie »Nein zur Ein-Mann-Herrschaft«.

Saied sichert sich immer mehr Macht

Sicherheitskräfte waren verstärkt im Einsatz. Berichte über Zwischenfälle gab es zunächst nicht. Eine Teilnehmerin sagte der Nachrichtenagentur dpa: »Ich bin enttäuscht, dass der Präsident nichts tut, um die Not der Menschen zu lindern.« Die Gewerkschaften suchten einen friedlichen Dialog.

Nicht nur die wirtschaftliche Not bringt die Menschen in Tunesien auf die Straße. Die Gegner von Saied befürchten vor allem, der Präsident wolle den letzten demokratischen Staat in Nordafrika in eine Autokratie verwandeln und die demokratischen Errungenschaften der Revolution des Arabischen Frühlings vom Jahr 2011, der in Tunesien seinen Anfang nahm, zurückschrauben.

Saied sichert sich immer mehr Macht . Er löste dafür das Parlament auf und ließ eine neue, deutlich geschwächte Volksvertretung wählen. Der Staatschef führte außerdem eine umstrittene neue Verfassung ein, dank der er auch eigenmächtig Richter ernennen und entlassen darf.

Dutzende Kritiker festgenommen

Zunehmend bekämpft Saied zudem politische Gegner. Dutzende Kritiker wie Oppositionspolitiker, Richter, ein Journalist und ein UGTT-Vertreter wurden festgenommen. Ihnen werden etwa Korruption und »Verschwörung gegen die Staatssicherheit« vorgeworfen. Human Rights Watch kritisierte, es gebe keine stichhaltigen Beweise dafür.

Auch der Druck gegen internationale Gewerkschafter nimmt zu. Die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC, Esther Lynch, war nach der Teilnahme an einem Protest in Tunesien ausgewiesen worden. Ein Vertreter des spanischen Gewerkschaftsbundes UGT wurde an der Einreise gehindert.

asc/dpa/Reuters
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