Konflikt mit Russland Außenministerin Baerbock besucht Frontlinie in Ostukraine

Außenministerin Annalena Baerbock im verlassenen Ort Schyrokyne nahe der Frontlinie im Donbass
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaDie Lage im Ukrainekonflikt bleibt unübersichtlich, Russland und der Westen kommen in ihren Gesprächen kaum zusammen. Inmitten der angespannten Lage hat Außenministerin Annalena Baerbock nun in einem gepanzerten Fahrzeug die Frontlinie im Konfliktgebiet in der Ostukraine besucht. Geschützt mit Helm und schwarzer schusssicherer Weste ließ sich die Grünenpolitikerin am Vormittag von einem Kommandeur der ukrainischen Regierungstruppen die aktuelle militärische Lage im Donbass erklären.
Baerbock hielt sich bei regnerischem Wetter gut 40 Minuten an der Front zwischen der ukrainischen Armee und den von Russland unterstützten Separatisten auf. Es kam zu keinerlei Zwischenfällen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa vor Ort berichtete.
Die Grünenpolitikerin sprach von »sehr bedrückenden Bildern« und »sehr bedrückenden Gefühlen« beim Besuch des verlassenen Orts Schyrokyne. »Man spürt, was vor Jahren passiert ist, dass Menschen von einem Tag auf den anderen alles verloren haben, was sie hatten«, sagte Baerbock. »Kinderspielzeug liegt noch am Wegesrand.« Der Ort sei »ein Zeugnis dessen, dass wir mitten in Europa Krieg haben.«
Im Donbass im Südosten der Ukraine kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Separatisten – trotz eines geltenden Waffenstillstands. Dieser wird immer wieder gebrochen. Es gab mehrere Anläufe, dass die Vereinbarung dauerhaft von beiden Seiten akzeptiert wird.
Ein im Jahr 2015 im belarussischen Minsk vereinbarter Friedensplan liegt auf Eis. Kiew und Moskau werfen sich gegenseitig Verstöße gegen das Abkommen vor. Seit 2014 sind im Donbass nach Uno-Schätzungen mehr als 14.000 Menschen bei Kämpfen getötet worden.
»Wir schauen nicht weg«
»Wir werden diese Aggression von russischer Seite nicht militärisch lösen können«, sagte Baerbock nach ihrem Frontbesuch. »Deswegen tue ich alles dafür, dass wir am Verhandlungstisch Schritt für Schritt vorankommen.« Zugleich müsse die internationale Gemeinschaft weiter deutlich machen, dass jede weitere militärische Aggression von russischer Seite »massive Folgen« für Moskau hätte.
Bereits am Montag bei ihrem Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba hatte Baerbock gesagt: »Ich will dabei ein klares Signal senden: Wir, gemeinsam als Europäerinnen und Europäer, schauen nicht weg. Wir vergessen nicht die Menschen, um deren Schicksal es in diesem Konflikt geht. Und wir stehen an der Seite der Ukraine.«
Im Anschluss war ein Treffen Baerbocks mit Vertretern der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine geplant. Es ist die mit etwa 1300 Mitarbeitern größte OSZE-Mission, an der Beobachter aus 44 Staaten teilnehmen. 40 Beobachter kommen aus Deutschland.
In Wynohradne, ein Vorort der Hafenstadt Mariupol, wollte Baerbock mit Vertreterinnen der Nichtregierungsorganisation »Berehynja« (Hüterin) sprechen. Die Organisation leistet seit 2015 juristische und psychologische Hilfe für Hunderte geflüchtete Frauen, die nahe der Kontaktlinie gelebt hatten. Zum Abschluss stand die Besichtigung einer mit deutscher Hilfe modernisierten Wasserpumpstation in Mariupol auf dem Programm. Die Stadt liegt etwa 630 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew am Asowschen Meer. Ein geplantes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war hingegen kurzfristig geplatzt.
Putin und Macron im Deutungsstreit
Parallel zu Baerbocks Reise ringen der französische Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin über die Deutungshoheit nach einem gemeinsamen Treffen. Macron ließ nach dem Gespräch in Paris verlauten, Putins habe sich zum Verzicht einer »Eskalation« in der Ukraine bereit erklärt. Bis auf Weiteres werde Russland keine neuen Manöver an der Grenze zur Ukraine abhalten.
Der Kreml dementiert jedoch, dass Putin solch eine Zusage getroffen habe. Die Berichte darüber seien falsch, sagt der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. Frankreich und Russland seien sich bezüglich einer Deeskalation der Lage noch nicht einig geworden. Deeskalation sei aber nötig. Peskow erklärt, die russischen Truppen würden nach dem gemeinsamen Manöver mit Belarus wieder abgezogen. Ein Datum dafür nennt er nicht.
Aus den USA kamen derweil erste Soldaten zur Verstärkung der Nato-Ostflanke in Rumänien an. Die 100 Militärs sollten die Stationierung von insgesamt 1000 Soldaten technisch vorbereiten, sagte Rumäniens Verteidigungsminister Vasile Dincu nach Angaben der rumänischen Nachrichtenagentur Mediafax. Die übrigen Truppen sollten in Kürze folgen und auf mehrere Standorte verteilt werden, sagte der Minister.
Vergangene Woche hatte US-Präsident Joe Biden die Verlegung von Truppen nach Polen und Rumänien angekündigt. Die nach Rumänien entsandten US-Soldaten sollen aus dem bayerischen US-Stützpunkt Vilseck kommen.