Vor wenigen Tagen konnte Oleksandr Antonenko noch auf diesem Balkon sitzen. Dann, am 24. November, wurde seine Wohnung bei einem russischen Angriff auf das Wohnviertel in Cherson schwer beschädigt. Die Detonationen sprengten Fenster aus den Rahmen und zerstörten eine Wand.
Dennoch sind Antonenko und seine 82-jährige Mutter in der Ruine geblieben – mit der Erinnerung an die Schrecken des Angriffs.
Liudmyla Antonenko, Bewohnerin
»Das Fenster füllte sich mit Licht, der ganze Raum war erleuchtet. Dann gab es viele Explosionen. Dann beruhigte es sich, und dann ging es wieder los. Es gab zwei oder drei Angriffsserien. Wir waren so verängstigt. Ich bin froh, dass mein Sohn noch hier ist. Wenn die Rakete zehn bis 30 Zentimeter dichter gelandet wäre, dann wäre ich nicht mehr hier. Aber ich bin 82 Jahre alt, das ist keine große Sache.«
Immerhin einen Lichtblick gibt es trotzdem: Kurz vor ihrem Abzug hatten die Russen die Stromversorgung in Cherson gekappt. Mittlerweile seien rund 17 Prozent der Haushalte wieder ans Elektrizitätsnetz angeschlossen. So auch die Antonenkos.
Oleksandr Antonenko, Bewohner
»Wir haben Gas, wir haben Strom. Ich wünschte, wir hätten auch Wasser, dann könnten wir die Toilette richtig benutzen.«
Liudmyla Antonenko, Bewohnerin
»Wir haben wirklich darauf gewartet, dass das Fernsehen zurückkommt.«
Oleksandr Antonenko, Bewohner
»Aber noch funktioniert kein Sender. Vorläufig.«
Andere Bewohner hat der Raketenangriff noch schlimmer getroffen.
Liliia Khrytenko, Anwohnerin
»Es gab eine Menge Staub, man konnte nichts sehen. Mein Sohn und ich haben uns im Badezimmer versteckt. Ich hörte meinen Vater schreien. Ich solle einen Krankenwagen rufen, weil meine Mutter verletzt sei. Aber ich konnte keinen Krankenwagen rufen, es gab keinen Handyempfang. Ich ging mit meinem Kind nach draußen, und meine Mutter lag mit dem Gesicht nach unten und blutüberströmt im Hauseingang. Mein Vater saß neben ihr und sagte, er würde sterben.
Das ist so ungerecht. Was haben sie getan? Sie waren großartige Menschen. Es ist sehr schwer, ich weiß nicht, wie ich das überleben soll. Gott helfe mir, bitte. «
Rund neun Monate lang war die Region Cherson von den russischen Streitkräften besetzt. Am 11. November eroberte die ukrainische Armee die Stadt Cherson zurück. Das Gebiet steht seither immer wieder unter russischem Beschuss.