
Russische Militärbasis Jelnja, aufgenommen am 9. November 2021
Foto: European Space Imaging © 2021 Maxar TechnologiesRusslands Drohungen und der Westen Will Putin wirklich die Ukraine angreifen? Und wenn ja – was dann?
Die Lage zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen bleibt kurz vor Weihnachten angespannt. Der russische Präsident Wladimir Putin stellt in dem Konflikt sehr weitgehende Forderungen und lässt Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenze aufmarschieren. Der Westen gibt sich gesprächsbereit, hat den meisten Wünschen aus Moskau jedoch bereits eine Absage erteilt.
Welche Möglichkeiten bleiben dem russischen Präsidenten nun, und wie ist es überhaupt zu der festgefahrenen Situation gekommen? Ein Überblick über die Lage:
Will Russland in der Ukraine einmarschieren?
Glaubt man dem russischen EU-Botschafter, dann nein. »Ich kann versichern, dass keine russischen Truppen mit den Vorbereitungen für eine Invasion in die Ukraine beschäftigt sind«, sagte Wladimir Tschischow vor Kurzem der »Welt«. Er verstehe nicht, warum Europa so besorgt wegen russischer Truppenbewegungen sei, die sich auf Russlands eigenem Territorium abspielten. »Nicht ein einziger russischer Soldat hat sich jenseits der russischen Grenze bewegt«, betonte er. Russland verfolge zwar eine Politik, die russischsprachige Bevölkerungsgruppen und Landsleute, die in anderen Ländern lebten, unterstütze. »Aber Russland hat niemals gesagt, dass wir beabsichtigen, dazu militärische Mittel einzusetzen«, betonte der Diplomat.
Doch was Russland sagt und was Russland tut, sind oft – und in diesem Fall besonders – zwei unterschiedliche Dinge. Die US-Zeitung »Washington Post« berichtete Anfang Dezember unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen, Moskau plane »umfangreiche Bewegungen von hundert Bataillonen taktischer Verbände mit schätzungsweise 175.000 Mann, zusammen mit Panzern, Artillerie und Ausrüstung«.
Schon jetzt ist der Aufmarsch russischer Truppen entlang der Grenze zur Ukraine massiv. Rund 100.000 Soldaten sollen sich derzeit dort befinden; Satellitenbilder und Aufnahmen aus russischen Social-Media-Accounts dokumentieren den Aufmarsch des Militärs. Darunter befinden sich besonders große Truppen der 41. Armee – deren Hauptquartier sich in Nowosibirsk befindet, Tausende Kilometer von der Grenze zur Krim entfernt. Auch die 20. Armee befindet sich in Gefechtsbereitschaft – sie ist ohnehin nordöstlich der Grenze zur Ukraine stationiert. Sie wird verstärkt durch Einheiten der ersten Gardepanzerarmee, die sich nahe Pogonowo sammelt. Auch die 8. Armee im Gebiet um Russlands südlichste Millionenstadt Rostow am Don ist gefechtsbereit. Die Truppenverschiebungen sind so weitreichend, dass sie sich über Monate hinzogen und lange geplant werden mussten.
Russische Militärbasis Jelnja, aufgenommen am 9. November 2021, Satellitenbild: European Space Imaging © 2021 Maxar Technologies
Nach einem Gespräch mit dem US-Präsidenten Joe Biden veröffentlichte Moskau einen umfassenden Forderungskatalog, dazu gehörte der Ausschluss eines Nato-Beitritts der Ukraine sowie die Aufgabe aller militärischen Aktivitäten der Nato in der Ukraine und dem übrigen Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien.
Russische Militärbasis Jelnja, aufgenommen am 9. November 2021, Satellitenbild: European Space Imaging © 2021 Maxar Technologies
Fest steht: Ein Einmarsch Russlands in die Ukraine wäre militärisch möglich. Ob Putin eine Invasion plant oder es sich bei dem Truppenaufmarsch nur um eine eindrucksvolle Drohgebärde handelt, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen.
Russische Militärbasis Jelnja, aufgenommen am 23. August 2020, 12. Oktober 2021 und 1. November 2021, Satellitenbilder, Planet Labs Inc., European Space Imaging © 2021 Maxar Technologies
Wie könnte ein Angriff auf die Ukraine ablaufen?
Das ist natürlich Spekulation. Aber manche Experten gehen davon aus, dass Russland die Truppen im Osten der Ukraine auch aus der Luft in weniger als einer Stunde militärisch überwältigen könnte. Die ukrainische Armee befindet sich aufgrund westlicher Ausbildung und Unterstützung zwar lange nicht mehr in einem so desolaten Zustand wie 2014, als der Krieg in der Ostukraine begann. Insgesamt verfügt die Ukraine aber kaum über mehr Truppen, als Russland derzeit offenbar in der Grenzregion zusammenzieht.
Gegenüber der »New York Times« offenbart der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, General Kyrylo Budanow, seine Albtraumvision eines Einmarschs: Luft- und Raketenangriffe, die zunächst Munitionsdepots und Bodentruppen angreifen, würden das ukrainische Militär innerhalb kürzester Zeit handlungsunfähig machen, eine koordinierte Verteidigung sei schon dann kaum noch möglich. Danach liege die Verantwortung bei den Kommandanten an der Front. »Sie werden durchhalten, solange es noch Kugeln gibt«, sagte Budanow. Doch ohne Nachschublieferungen könne keine Armee der Welt einem solchen Angriff trotzen.
Eine Alternative zu einer direkten Invasion wäre eine von den prorussischen Separatisten angeführte Verstärkung der Kampfhandlungen in der Ostukraine, bei der sie von Russland militärisch unterstützt werden.
Eine vollständige Übernahme der Ukraine bleibt unwahrscheinlich, selbst wenn Russland noch mehr Truppen entlang der Grenzen stationieren sollte. Vielmehr geht es vermutlich um die Kontrolle der Ostukraine, wo auch mehrheitlich Russisch gesprochen wird – also Gebiete östlich des Flusses Dnjepr. Dort liegen Städte wie Charkiw mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern; es könnte also um eine Teilung der Ukraine gehen. Doch wie weit die militärischen Ziele bei einem Angriff tatsächlich reichen könnten, ist weitgehend offen.
Was sind die Wurzeln des Konflikts?
1991 erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion, die kurz darauf endgültig zerfiel. Die Unabhängigkeit der Ukraine und der Zerfall der Sowjetunion stellen aus Wladimir Putins Sicht eine historische »Tragödie« dar, »die größte geopolitische Katastrophe« des 20. Jahrhunderts. Damals sei »das historische Russland« zerfallen, das über tausend Jahre aufgebaut worden sei, sagte er neulich. Deshalb lebten 25 Millionen Russen nun im Ausland – und Russland könne es sich einfach nicht leisten, »diese Menschen willkürlich ihrem Schicksal zu überlassen«. Im Sommer schrieb Putin in einem Essay sinngemäß, die Ukraine sei gar kein eigener Staat .
Die unabhängige Ukraine orientierte sich weiterhin weitgehend an Russland, doch 2013 und 2014 kam es wegen des Streits über ein EU-Assoziierungsabkommen zu einem Volksaufstand, dem sogenannten Euromaidan. Der prorussische Präsident Wiktor Janukowytsch wurde im Februar gestürzt, kurz darauf annektierte Russland – nach einem international nicht anerkannten Referendum – die Halbinsel Krim. Im ostukrainischen Donbass riefen prorussische Separatisten zwei »Volksrepubliken« aus; sie wurden militärisch von Russland unterstützt. Mehr als 13.000 Menschen starben seither im Krieg im Donbass. 2015 schlossen die Ukraine und Russland unter europäischer Vermittlung das Minsker Abkommen – über dessen Umsetzung es allerdings seither Streit gibt; der Krieg ging dennoch weiter, wenn auch mit verminderter Intensität. Zuletzt kehrte, wenn auch kein Friede, dann doch zumindest eine gewisse Ruhe ein in dem seit sieben Jahren schwelenden Konflikt. Doch die ukrainische Annäherung an die Nato, ihr Beitrittsbestreben zur Europäischen Union und gemeinsame Militärübungen mit europäischen und US-amerikanischen Truppen will Russland nicht akzeptieren – es lehnt eine westliche Einbindung seines Nachbarstaats ab. Schon im Frühjahr verlegte Putin Truppen an die Grenze der Ukraine – wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß.
Wie begründet Russland seine Sicherheitsbedenken in der Ukraine?
Putin fürchtet, dass die Ukraine sich weiter dem Westen annähert, zu einer Art amerikanischen Militärbasis wird oder eines Tages der Nato beitreten könnte. In Umfragen sprachen sich zuletzt rund zwei Drittel der Ukrainer für einen EU-Beitritt und mehr als die Hälfte für einen Nato-Beitritt aus – es gibt für beides allerdings keine konkreten Pläne.
Putin hat mehrfach die Sorge ausgedrückt, dass die Nato Mittelstreckenraketen in der Ukraine stationieren könnte, die »in sieben bis zehn Minuten« Moskau erreichen könnten, im Fall von Hyperschallwaffen gar in »fünf Minuten«. Solche Waffensysteme gibt es derzeit aber weder in der Ukraine noch in den europäischen Nato-Staaten – während Russland über mobile Mittelstreckenraketen verfügt, die europäisches Territorium erreichen könnten.
Der Westen war bisher zurückhaltend mit Waffenlieferungen an die Ukraine: Die USA haben ihr vor allem Panzerabwehrraketen und Ausrüstung geliefert, die Türkei verkaufte ihr Kampfdrohnen.
Russland hat in den vergangenen Wochen seine Forderungen an die Ukraine laufend ausgeweitet: Zunächst verlangte es Zusicherungen, dass ein Nato-Beitritt ausgeschlossen wird, zudem sollte eine Stationierung moderner westlicher Waffensysteme verboten sein. Doch zuletzt veröffentlichte Russland zwei selbst vorformulierte Abkommen, mit der Nato und den USA – darin wird faktisch ein Rückbau der Nato auf vor der Osterweiterung im Jahr 1997 gefordert: So sollen keine Truppen in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes stationiert werden dürfen; es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Westen sich auf solche Forderungen einlässt.
Russland fühlt sich, so Putin, von der Nato-Osterweiterung »betrogen« und beruft sich auf mündliche Zusagen. Allerdings gab es bei den Verhandlungen über die deutsche Einheit keine rechtlich bindenden Zusagen über die Rolle der Nato nach der Wiedervereinigung.
Der Westen betont die Bündnisfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht von Ländern wie Polen oder der baltischen Staaten, die der Nato beigetreten sind – Russland sieht seine historische Einflusssphäre verletzt. Wiederholt zweifelte Putin öffentlich die eigene Staatlichkeit der Ukraine an; die Sowjetunion sei eigentlich das »historische Russland« gewesen, und in der Ostukraine finde gegen russischsprachige Bürger ein »Genozid« statt (wofür es keinerlei Belege gibt).
Die zunehmende Westorientierung der Ukraine ist allerdings auch eine Folge der russischen Annexion der Krim und der Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ostukraine – sowie der Drohungen aus Moskau.
Was ist das Minsker Abkommen und welche Rolle spielt es?
Das Minsker Abkommen ist eine internationale Vereinbarung, die eigentlich den Frieden oder zumindest eine Waffenruhe im Osten der Ukraine garantieren soll. Das Abkommen ist allerdings bis heute nur in Teilen umgesetzt worden. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, die Absprachen zu verletzen.
Am 12. Februar 2015 hatten Vertreter der Ukraine, Russlands, der selbst ernannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk sowie Heidi Tagliavini für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) das Abkommen unterschrieben. Darin einigten sich die Parteien auf 13 Punkte:
1. Einen Waffenstillstand in den zuvor umkämpften Oblasten Donezk und Luhansk
2. Den Abzug aller schweren Waffen aus einer Sicherheitszone
3. Die Überprüfung der Waffenruhe und des Waffenabzugs durch die OSZE
4. Ein neues Gesetz, mit dem die Ukraine den Oblasten Donezk und Luhansk einen besonderen Status gewährt und dort Wahlen ermöglicht
5. Eine Amnestie für Personen, die in den Konflikt involviert waren
6. Die Freilassung aller Gefangenen
7. Humanitäre Hilfe für Bedürftige
8. Den Wiederaufbau wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen, sodass im Konfliktgebiet etwa Renten gezahlt und Steuern eingezogen werden können
9. Die vollständige Kontrolle der ukrainischen Staatsgrenze durch ukrainische Kräfte – also auch an der Grenze zu Russland
10. Den Abzug aller ausländischen Einheiten – was besonders auf russische Söldner abzielte
11. Eine Verfassungsreform in der Ukraine, die die Macht dezentralisiert
12. Wahlen in den Gebieten der Separatisten
13. Ein weiterer Austausch mit der sogenannten Kontaktgruppe, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE besteht.
Das Abkommen übernahm damit Punkte, die alle Beteiligten schon 2014 mit dem »Minsker Protokoll« unterschrieben hatten. Das Protokoll wird deswegen auch als »Minsk I« und die Vereinbarung vom Februar 2015 als »Minsk II« bezeichnet.
Jedoch gab es auch nach dem Minsker Abkommen weiterhin Schusswechsel und Tote im Konfliktgebiet. In den jüngsten Wochen hat Russland der Ukraine vorgeworfen, das Abkommen durch Drohnen an der Kontaktlinie verletzt zu haben; zudem hat die Ukraine die Autonomie der Gebiete im Osten nie gesetzlich umgesetzt. Die Ukraine warf Russland ihrerseits vor, durch schwere Waffen an der Kontaktlinie gegen das Abkommen zu verstoßen. Das Minsker Abkommen wird von ukrainischen und westlichen Experten kritisiert, weil es Russland selbst bis auf den Abzug schwerer Waffen zu nichts verpflichtet, sondern fast alle Verpflichtungen entweder Kiew auferlegt oder den prorussischen Separatisten – aber nicht Moskau.
Wie reagiert der Westen auf die Invasionsdrohung, was kann er tun?
Die Nato hat Putin aufgerufen, die bevorstehenden Feiertage für einen Rückzug seiner Streitkräfte von der ukrainischen Grenze zu nutzen. Russland habe die Möglichkeit, ein friedliches und erholsames Weihnachtsfest für alle zu gewährleisten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Dazu müsse das Land Spannungen abbauen und seine Truppen zurückziehen.
Angesichts des russischen Aufmarschs an der Grenze zur Ukraine plant die Nato zudem eine Verstärkung der eigenen Truppen an der Ostgrenze der Allianz. Wie der SPIEGEL schon am Wochenende berichtete, schlug US-General Tod D. Wolters, der Supreme Allied Commander für Europa (kurz: Saceur), kürzlich in einer geheimen Videoschalte mit den Militärchefs der Partnernationen vor, ähnlich wie im Baltikum und Polen auch in Rumänien und Bulgarien die Nato-Präsenz über die Mission »Enhanced Forward Presence« (EFP) zu erweitern. Demnach soll die Nato auch die Einsatzbereitschaft der schnellen Eingreiftruppe erhöht haben. Bulgarien hat sich allerdings vorerst gegen eine Stationierung von Truppen im eigenen Land ausgesprochen.
Russland kündigte derweil erste Gespräche mit den USA und der Nato für Januar an. Mit Blick auf die russischen Forderungen nach zusätzlichen Sicherheitsgarantien der Nato zeigte sich Stoltenberg zuletzt gesprächsbereit – erteilte allerdings Vorstellungen eine Absage, dass die Nato etwa den Verzicht auf eine Aufnahme der Ukraine erklären könnte.
In der EU wird derweil über weitere Sanktionen diskutiert. Diese könnten möglicherweise recht schnell verhängt werden. Für die Strafmaßnahmen als Reaktion auf die Annexion der Krim brauchte Brüssel beispielsweise nur einige Tage. Neue Sanktionen könnten dann etwa Putins direktes Umfeld treffen. Zudem gibt es einen besonders harten Vorschlag, wonach Russland aus Swift und damit vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden könnte.
Welche Rolle spielt die Gaspipeline Nord Stream 2?
Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 soll Gas direkt von Russland nach Deutschland befördern – und damit die bestehenden Pipelines umgehen, die durch die Ukraine und Belarus führen.
Damit erhält Russland ein politisches Druckmittel: Es kann Gaslieferungen durch die Ukraine nach Westeuropa reduzieren – damit würden sich für Kiew die wirtschaftlich bedeutsamen Einnahmen aus dem Gastransfer verringern.
In der Diskussion ist nun, ob Deutschland die Inbetriebnahme der weitgehend fertig gebauten Pipeline im Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine als Strafmaßnahme stoppen würde: Die USA deuten an, entsprechende Zusicherungen aus Berlin erhalten zu haben; die neue Bundesregierung hat sich dazu bisher nicht eindeutig geäußert.
Sie zieht sich auf das laufende verwaltungstechnische Genehmigungsverfahren zurück – weil die Pipeline mehrheitlich von Gazprom betrieben wird und das Gas von Gazprom geliefert wird, werden wohl EU-Vorschriften verletzt: Diese schreiben vor, dass die Eigentümer von Pipelines nicht mit den Lieferanten des durch sie fließenden Gases identisch sein dürfen.
Insbesondere osteuropäische Staaten haben Nord Stream 2 aus geopolitischen Gründen von Anfang an bekämpft, auch die US-Regierung stellt sich dagegen und hat Sanktionen gegen beteiligte Firmen erlassen. Die alte Bundesregierung unter Angela Merkel hatte die Pipeline lange als rein privatwirtschaftliches Projekt bezeichnet und ihm jede politische Dimension abgesprochen.
Die Pipeline ist im alleinigen Besitz des russischen Konzerns Gazprom, als Finanzinvestoren beteiligt sind die Firmen Engie (Frankreich), OMV (Österreich), Shell (Niederlande, UK), Uniper (Finnland/Deutschland) und Wintershall Dea (Deutschland). Der ehemalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder spielte eine wichtige Rolle für den Bau der Pipeline; er ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG. Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, hat sogar mit einer landeseigenen Stiftung geholfen, die Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umgehen.
Die SPD hat die Pipeline traditionell unterstützt, FDP und vor allem Grüne lehnen sie aus geo- und klimapolitischen Gründen ab; auch deshalb hat die neue Bundesregierung Schwierigkeiten, sich auf eine Haltung zu einigen. Dass Russland bereit ist, die Pipeline als Druckmittel einzusetzen, hat es diesen Winter bereits gezeigt: Es reduzierte die Gaslieferungen und kündigte an, sie nur im Fall der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 wieder zu erhöhen.
Wie verhält sich die neue Bundesregierung?
Das deutsch-russische Verhältnis wird derzeit mehrfach belastet: Zum einen erhöht Putin nahezu täglich den Druck auf den Westen, um vor allem die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine auszuschließen. Zum anderen sorgt das Urteil im Tiergartenmord für Spannungen zwischen Berlin und Moskau. Eine klare Linie, wie man mit Russland umgehen will, hat die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch nicht gefunden.
Scholz selbst folgt dem Motto, es brauche eine europäische, keine deutsche Ostpolitik. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich hingegen bereits mehrfach deutlich geäußert und Russland mit »harten diplomatischen und wirtschaftlichen Konsequenzen« gedroht, sollte es in die Ukraine einmarschieren. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat kürzlich neue Sanktionen gegen Russland ins Spiel gebracht. »Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen«, sagte sie vor wenigen Tagen.
Insgesamt setzt die Bundesregierung auf Dialog. Es sei von größter Bedeutung, dass Russland an den Verhandlungstisch zurückkehre, sagte Baerbock am Mittwoch.
Mit Material aus den Agenturen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, an der Pipeline Nord Stream 2 seien auch die deutschen Firmen Wintershall und E.on Ruhrgas sowie niederländische, österreichische und französische Firmen beteiligt. Nord Stream 2 befindet sich – im Unterschied zur älteren Pipeline Nord Stream – aber im alleinigen Besitz des russischen Konzerns Gazprom, europäische Firmen sind nur als Finanzinvestoren beteiligt. Wir haben das im Text korrigiert.