Analyse zum Ukrainekrieg »Der Angriff war ein Zeichen der Inkompetenz und des Versagens«
»Russischer Soldat!«
Der martialische Apell eines ukrainischen Soldaten.
»Ich bin deine Chance, lebendig nach Hause zu kommen. Geben Sie mir die Koordinaten von Orten, an denen sich gepanzerte Fahrzeuge, Hauptquartiere und Munition befinden, und ich werde nur diese Orte treffen. Auf diese Weise rettest du Leben und das Leben deiner Freunde.«
Im Hintergrund feuert ein Himars-Waffensystem Raketen ab.
Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik
»Die Himars ist eines der Waffensysteme, die die USA und dann auch andere westliche Staaten geliefert haben und die seit dem Frühsommer einen wirklichen Unterschied im Kriegsgeschehen gemacht haben und letztlich der Ukraine ermöglicht haben, die erfolgreiche Spätsommer-Offensive im September zu starten und letztlich auch die Gegend um Carson wieder zu befreien.«
Mehrere solcher Himars-Raketen trafen in der Neujahrsnacht eine zum Militärcamp umfunktionierte Schule in der ostukrainischen Stadt Makijiwka und kosteten vielen russischen Soldaten das Leben. Am Mittwoch musste das russische Verteidigungsministerium seine zunächst gemachten Angaben über getötete Soldaten dann auch nach oben korrigieren.
Sergej Sewrijukow, General
»Leider hat sich die Zahl unserer Kameraden, die bei dem Vorfall ums Leben gekommen sind, bei der Sichtung der Trümmer der Stahlbetonbauten auf neunundachtzig erhöht. Unter den Toten ist auch der stellvertretende Kommandeur des Regiments, Oberstleutnant Bachurin. Allen Opfern und den Familien der toten Soldaten wird jede notwendige Hilfe und Unterstützung zuteil.«
Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Poltik
»Der Angriff auf diese russische Stellung ist ein Zeichen der Inkompetenz und des Versagens der russischen Militärführung. Denn offensichtlich haben die russischen Soldaten, so heißt es ja ihre Mobilfunkdaten preisgegeben und waren damit ein sehr einfaches Ziel für den ukrainischen Angriff. Das ist ein Zeichen von Inkompetenz. Es ist ein Versagen. Das ist aber vor allen Dingen auch ein sehr großer Schlag auf die Moral der russischen Truppen, dass es dort zum großen Verlust kommt und auf die Truppen, die dahin verlegt werden und die sich offensichtlich nicht auf ihre eigene Führung verlassen können.«
Wut und Trauer über den Tod der vielen russischen Soldaten in der Silvesternacht wurde bei einer Gedenkfeier in der Wolga-Region Samara mit rund 200 Teilnehmern sowie bei ähnlichen Veranstaltungen in anderen Städten in Russland sichtbar. Vor dem Hintergrund anhaltender Probleme in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin am Mittwoch die neue Hyperschallraketen Zirkon in Dienst gestellt. In einer vom Fernsehen übertragenen Videoschalte aus dem Kreml gab Putin den Startschuss zur Inbetriebnahme der neuen Raketen auf der Fregatte Admiral Gorschkow. Das Kriegsschiff soll auf eine Seereise in den Atlantischen und Indischen Ozean geschickt werden, um Russlands Seemacht zu demonstrieren.
Wladimir Putin, Präsident Russland
»Ich bin sehr froh. Meine Glückwünsche. Dies ist eine sehr große, kollektive Arbeit, die wie erwartet mit einem guten Ergebnis endete. Beginnen Sie mit Ihrer Aufgabe.«
Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik
»Russland hat seit Beginn des Krieges immer wieder den Verweis auf moderne und neue Waffen gemacht, um damit den Eindruck zu erwecken, bei den westlichen Staaten, aber auch bei der eigenen Bevölkerung, dass sie noch lange nicht geschlagen sind und dass sie noch große Vorräte haben. Ich denke, das muss man in das übergeordnete Narrativ einsetzen, dass Russland zeigt, wir geben nicht auf, wir sind immer noch stark, wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir sollten uns davon aber auch nicht blenden lassen.«
Russland beschießt nach ukrainischen Angaben weiter die zivile Infrastruktur der Ukraine. Doch immer wieder wehren sich die Ukrainer mit Angriffen weit hinter der Front gegen die russischen Angriffskrieger - und das, so scheint es, erfolgreicher als die russische Armee mit ihren flächendeckenden Drohnenangriffen, die von den Ukrainern zuhauf abgefangen werden.
Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Poltik
»Die große Herausforderung bei diesen Drohnenangriffen ist, dass sie in einer sehr großen Zahl kommen. Die Ukraine hat Luftverteidigung, das heißt, sie sieht sie, sie fängt sie auch hervorragend ab, aber sie kommen in einer extrem großen Zahl an. Und die Abfangraketen der ukrainischen Systeme sind extrem teuer im Vergleich zu den geradezu wirklich billigen Drohnen iranischer Bauart, die um die 20.000 € kosten. Russland führt diese Drohnenangriffe vor allen Dingen auf die städtische Infrastruktur in der Ukraine durch. Das heißt praktisch Sie zerstören die Kraftwerke, die Wasserversorgung, die Stromversorgung der großen Städte oder der Ukraine an sich und sie entziehen damit der Zivilbevölkerung die Lebensgrundlage. Russland bombt die Ukraine damit zunehmend in den wirtschaftlichen Bankrott, in den wirtschaftlichen Ruin, weil es eben für das Land immer schwieriger wird, weiter zu funktionieren. Ich erinnere nochmal daran, dass Angriffe auf die Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen sind, weil es tatsächlich um die Lebensgrundlagen der Zivilisten geht.«
Nach mehr als zehn Monaten seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, geht der Krieg unvermittelt weiter. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Poltik
»Die meisten Experten gehen davon aus, dass der Krieg endet, wenn beide Seiten mehr Gewinn im Aufhören sehen als im Weitermachen. Momentan ist das nicht der Fall. Die Ukraine macht Fortschritte, kann mehrere Gebiete befreien seit dem Frühsommer. Das heißt, für die Ukrainer gibt es keinen Grund aufzuhören. Solange Russland glaubt, dass es mit diesem Krieg immer noch etwas gewinnen kann ist es schwer, ein Ende abzusehen. Das heißt, für die westlichen Staaten oder für uns ist meines Erachtens die Schlussfolgerung, dass wir die Ukraine in die Lage versetzen müssen, militärisch, aber auch unterfüttert mit politischer und wirtschaftlicher Unterstützung, so stark zu sein um Russland zurückdrängen zu können.«