Österreichs Kanzler über Gespräch mit Selenskyj »Er meldet sich als Präsident, ohne zu wissen, wie lange er noch am Leben ist«

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Foto: Konstantin Sazonchik / ITAR-TASS / IMAGOZahlreiche Staats- und Regierungschef haben der ukrainischen Regierung nach der russischen Invasion ihre Solidarität zugesichert. Doch im Kampf gegen die Einheiten des Kreml ist das Land zunächst auf sich allein gestellt.
Wie gefährlich die Lage nach Überzeugung der Regierung in Kiew ist, macht eine Aussage des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer deutlich. Der ÖVP-Politiker berichtete von einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser fürchte nicht nur um den Fortbestand der Ukraine, sondern auch um sein Leben und um das seiner Mitbürger.
»Der ukrainische Präsident hat mit den Worten begonnen, er meldet sich aus einem Land, wo er nicht mehr weiß, wie lange es besteht, und er meldet sich als Präsident, ohne zu wissen, wie lange er noch am Leben ist«, sagte Nehammer.
Selenskyj habe »uns unmittelbar davon in Kenntnis gesetzt, dass es schwere Kampfhandlungen auf dem Gebiet der Ukraine gibt«, sagte Nehammer bei einem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Es gebe viele Verletzte und Tote. Der ukrainische Präsident »ersucht Europa und die Welt um Hilfe und fürchtet um die Existenz seines Landes«, sagte Nehammer.
Nehammer wirft Russland einen Bruch des Völkerrechts vor. Moskau beanspruche nicht die Stärke des Rechts, sondern das Recht des Stärkeren. Österreich lehne dies als neutrales Land innerhalb der Europäischen Union zutiefst ab, sagte der Bundeskanzler. Österreich halte viel auf das Völkerrecht, gerade weil das Land militärisch neutral sei.
Gemeinsam mit Söder kündigte Nehammer auch an, etwaigen ukrainischen Flüchtlingen helfen zu wollen. »Wir werden den Ländern zur Seite stehen, die unmittelbar betroffen sind«, sagte er mit Blick auf mögliche Fluchtbewegungen in Nachbarländer der Ukraine wie Polen. Den Menschen, die Schutz suchten, solle nachbarschaftlich geholfen werden.
Karl Nehammer, Kanzler von Östereich
Trotz der russischen Militärinvasion bleibt die ukrainische Führung eigenen Angaben zufolge im Land. »Der Präsident ist an seinem Platz, die Regierung ist an ihrem Platz, das Parlament ist an seinem Platz«, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk.
Sie widersprach Berichten, dass Kabinettsmitglieder an einen sicheren Ort gebracht worden seien. »Niemand geht irgendwohin«, sagte die Ministerin für die Wiedereingliederung der besetzten Gebiete. »Wenn das euer Ziel ist, Russland, so solltet ihr wissen, dass wir bis zum Ende bei unserem Volk ausharren werden.«