Von Opposition geleakter Bericht Russischer Geheimdienstler nennt Ukrainekrieg angeblich »Totalversagen«

Ein russischer Polizist sichert den Platz vor dem Kreml in Moskau
Foto:Yuri Kochetkov / EPA
Der russische Geheimdienst FSB schaut nach Angaben der britischen »Times« mit größter Sorge auf die Invasion in die Ukraine. Die Zeitung beruft sich auf einen Whistleblower des FSB, der die Lage in einem von russischen Oppositionellen geleakten Dokument kritisch zusammengefasst hat. So sei der Krieg laut einem FSB-Insider ein »Totalversagen« und Russlands aktuelle Lage vergleichbar mit dem Niedergang Nazideutschlands.
Das gut 13.000 Zeichen umfassende Dokument wurde vom russischen Menschenrechtsaktivisten Vladimir Osechkin auf Facebook und der Anti-Korruptions-Website Gulagu.net veröffentlicht. Die Rechercheplattform Bellingcat stuft es als authentisch ein. Demnach hätten zwei andere Quellen beim FSB »keine Zweifel«, dass der Bericht von einem Kollegen verfasst worden sei. Unabhängig überprüfen lässt sich die Echtheit jedoch nicht.
Der Text selbst hat es in sich: So soll der FSB weitestgehend im Unklaren über die Einmarschpläne von Kremlchef Wladimir Putin gelassen worden sein. Auch jetzt, zwölf Tage nach Beginn der Invasion, fehle dem Geheimdienst der Überblick. So könne niemand im Kreml genau sagen, wie viele Tote es aufseiten der russischen Armee gebe, weil »wir den Kontakt mit wichtigen Divisionen verloren haben«. Demnach könne es gut sein, dass bereits mehr als 10.000 Soldaten umgekommen sind. Offiziell spricht das russische Verteidigungsministerium bislang von weniger als 500 Toten.
»Keine Optionen für einen möglichen Sieg«
Den weiteren Verlauf des Krieges skizziert der russische FSB-Analyst düster. So habe Russland »keinen Ausweg mehr«: »Es gibt keine Optionen für einen möglichen Sieg, nur Niederlagen.« So habe die russische Armee mit sehr hartnäckigen Ukrainerinnen und Ukrainern zu kämpfen. Auch wenn eines von Putins Hauptzielen – die Tötung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – erreicht werde, habe Russland kaum eine Chance, die Ukraine zu besetzen. »Selbst mit minimalem Widerstand der Ukrainer bräuchten wir mehr als 500.000 Mann, Nachschub und Logistik noch nicht eingerechnet.«
Das Fazit des Geheimdienstlers: »Unsere Lage ist wie die Deutschlands zwischen 1943 und 1944 – nur, dass es unser Startpunkt ist.«
Die pessimistische Innenansicht deckt sich mit jüngsten Erkenntnissen der US-Geheimdienste. So sei auch Putin zunehmend frustriert über die ins Stocken geratene Invasion, notierte Ende vergangener Woche der Sender NBC unter Berufung auf mehrere Geheimdienstquellen. »Wir glauben nicht, dass er realistische Einblicke hat in das, was gerade passiert«, wird ein mit Russland vertrauter Diplomat zitiert.