Großbritanniens Verteidigungsminister »Russland gibt noch lange nicht auf«

Die Rückeroberung der Gebietshauptstadt Cherson wird auch vom Westen als außergewöhnlicher Sieg gefeiert. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace aber warnt: Moskau sei weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben.
Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace

Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace

Foto: Pool / Getty Images

Seitdem die Ukraine die Stadt Cherson im Süden des Landes wieder eingenommen hat, ist im Westen von einem entscheidenden Sieg die Rede. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hat jedoch vor zu viel Euphorie gewarnt: Trotz der ukrainischen Rückeroberung von Cherson sei Moskau noch weit davon entfernt, aufzugeben, sagte Wallace am Sonntag dem Digitalradiosender Times Radio.

»Die Ukraine hat Schwung«, sagte Wallace. Der Krieg entwickle sich derzeit in die Richtung der Ukraine. Dennoch warnte Wallace, dass es »töricht« wäre, Russlands Rückzug aus Cherson als das Ende des Krieges zu betrachten.

»Niemand unterschätzt Russland. Russland gibt noch lange nicht auf«, fügte Wallace hinzu. Moskau sei zwar »besorgt« wegen der jüngsten Niederlage. Dennoch: »Falls sie mehr Kanonenfutter brauchen, werden sie es sich holen«, sagte Wallace mit Blick auf die jüngste Mobilisierung in Russland. Er verwies auch auf die geplanten Militärübungen an russischen Schulen. »Das ist die Art und Weise des Regimes, mit dem wir es zu tun haben.«

Die Rückeroberung von Cherson zeige die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Ukraine und werfe für die Bevölkerung in Russland die Frage auf, ob der Krieg alle Entbehrungen und Opfer wert sei. Ob die Ukraine nun Verhandlungen aufnehmen wolle, liege allein an ihr, sagte Wallace. »Zunächst sollten wir nicht dankbar sein, wenn ein Dieb gestohlene Güter zurückgibt – denn das ist es letztlich, was Russland getan hat«, sagte der Minister. Nun werde Russland überall verkünden, dass man für den Abzug aus der Großstadt dankbar sein solle. »Nein, das sollte man nicht, Russland hätte das im Februar gar nicht erst tun sollen«, sagte Wallace mit Blick auf den Angriff am 24. Februar.

Militärunterricht an Schulen

Der Kreml will mit einem geplanten verpflichtenden Militärunterricht an Schulen versuchen, die Bereitschaft zu Mobilisierung und Wehrdienst bei jungen Menschen zu erhöhen. Dies teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Das Training ziele darauf ab, Schüler, die sich dem Wehrpflichtalter nähern, mit militärischen Fähigkeiten auszustatten. »Diese Initiative ist wahrscheinlich auch Teil eines umfassenderen Projekts, um der russischen Bevölkerung eine Ideologie des Patriotismus und des Vertrauens in öffentliche Institutionen einzuflößen«, hieß es weiter.

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Das russische Verteidigungsministerium unterstütze das Programm und habe festgelegt, dass mindestens 140 Stunden im akademischen Jahr für den sogenannten Militärvorbereitungskurs vorgesehen sind, so die britische Behörde weiter. Das Training solle im September 2023 beginnen. Ähnliche Programme mit Vorbereitungen für einen chemischen oder nuklearen Angriff, Erster Hilfe und Schießtraining hatte es auch in der Sowjetunion gegeben, sie waren 1993 eingestellt worden.

Die russischen Behörden hätten das Training bereits nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim wieder auflegen wollen, hieß es in London weiter. »Es bestand die Hoffnung, dass diese Initiative die Qualität der Wehrpflichtigen erhöhen würde.« Doch das sei nicht eingetreten, vielmehr sei die Moral niedrig und die Ausbildung begrenzt. Derzeit werde ein neues Ausbildungsprogramm zusammengestellt, es solle bis Jahresende feststehen.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

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col/sak/Reuters/AP/dpa
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