Krieg in der Ukraine Russische Verluste und Flucht aus Mariupol – der Überblick

In Kiew griffen russische Truppen erneut Wohnhäuser an
Foto: Efrem Lukatsky / dpaDrei Wochen dauert Russlands Krieg gegen die Ukraine bereits. Drei Wochen Tod, Verwüstung, Flucht – und unerwartete Entwicklungen. Denn es mehren sich Meldungen darüber, dass der Kriegsverlauf nicht den Erwartungen des Kremls entspricht. Doch auch die ukrainische Seite hat Verluste.
Die Entwicklungen im Überblick.
Explosionen in Kiew und Angriff auf Saporischschja
In Kiew sind am Morgen laut Berichten der Nachrichtenagentur AFP erneut mehrere starke Explosionen zu hören gewesen. So habe es am frühen Morgen im Westen der ukrainischen Hauptstadt drei Detonationen gegeben. Wie bereits am Vortag, als die russischen Streitkräfte mehrere Wohnhäuser unter Beschuss genommen hatten, stiegen anschließend schwarze Rauchsäulen auf. Weitere Explosionen folgten später am Morgen.
Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben die im Süden des Landes gelegene Stadt Saporischschja angegriffen. Dort halten sich neben den Einwohnern auch Tausende Flüchtlinge aus dem belagerten Mariupol auf. »Erstmals sind zivile Objekte in Saporischschja angegriffen worden«, schrieb Gouverneur Alexander Staruch im Onlinedienst Telegram. Die Raketen seien unter anderem auf einem Bahnhofsgelände eingeschlagen, es sei niemand getötet worden.
Britischer Geheimdienst meldet hohe Verluste auf russischer Seite
Großbritannien geht davon aus, dass Russland in dem Krieg bereits große Verluste zu verzeichnen hat. Die ukrainischen Streitkräfte hätten taktisch Russlands Schwächen ausgenutzt, den russischen Vormarsch vereitelt und »den Truppen schwere Verluste zugefügt«, hieß es in einem Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums. Die Russen täten sich schwer mit den Herausforderungen des ukrainischen Geländes. Da es ihnen nicht gelungen sei, den Luftraum unter ihre Kontrolle zu bringen, seien ihre Optionen begrenzt.
London hatte zuvor bereits unter Berufung auf seine Geheimdienstinformationen mitgeteilt, Russland habe auch Kräfte aus Armenien und aus seinen Flotten im Pazifik in die Ukraine gezogen. Außerdem beauftrage Moskau private Söldner, etwa aus Syrien. Diese könnten demnach eingesetzt werden, um besetzte Gebiete zu kontrollieren, um die Streitkraft der eigenen Truppen zu erhöhen.
Auch die ukrainischen Streitkräfte melden, dass sie den russischen Truppen erneut schwere Verluste zugefügt hätten. Diese Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. In der südwestukrainischen Hafenstadt Odessa seien zwei Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-30 abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Nach Angaben des regionalen Militärstabs versuchten russische Einheiten, die ukrainische Luftabwehr bei Odessa auszuschalten, dies sei aber nicht gelungen. Vor der Küste kreuzen demnach mehrere russische Kriegsschiffe, von denen eins ebenfalls auf ukrainische Stellungen gefeuert haben soll. Bisher habe es aber keinen Landeversuch gegeben.
Der Generalstab in Kiew teilte mit, ukrainische Truppen leisteten landesweit heftigen Widerstand. Die russischen Einheiten konzentrierten sich derzeit vor allem auf die Sicherung ihrer Geländegewinne. Ukrainische Artillerie und Luftwaffe attackierten die russischen Nachschublinien. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sprach von einer Reihe von Gegenangriffen.
Nach ukrainischen Angaben wurden seit Kriegsbeginn am 24. Februar etwa 13.800 russische Soldaten getötet. Etwa 430 Panzer, 1375 gepanzerte Fahrzeuge und Hunderte weitere Fahrzeuge seien zerstört worden, ebenso rund 85 Kampfflugzeuge und mehr als hundert Hubschrauber. Die von Russland genannten Verluste sind viel niedriger.
Flucht aus Mariupol
Aus dem von russischen Truppen belagerten Mariupol ist nach ukrainischen Angaben inzwischen rund 20.000 Einwohnern die Flucht gelungen. Die Menschen hätten die Hafenstadt im Südosten des Landes in Privatwagen verlassen, wie das Innenministerium in Kiew mitteilte. Für die noch eingeschlossenen Menschen sei die Lage nach nunmehr fast zwei Wochen ohne Heizung, Strom und fließendes Wasser desaströs. Mindestens 200.000 Menschen seien dringend auf eine Evakuierung angewiesen.
Die Ukraine warf Russland eine Geiselnahme in einem Krankenhaus in Mariupol vor. Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte in einer Videobotschaft, insgesamt handele es sich um etwa 400 Zivilisten. »Und jetzt wird aus dem Krankenhaus heraus geschossen«, sagte Wereschtschuk. Zuvor hatte bereits die Hilfsorganisation Media Initiative for Human Rights entsprechende Vorwürfe erhoben. Von russischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme. Auch diese Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Ob noch am Mittwoch ein Fluchtkorridor zur Evakuierung weiterer Zivilisten aus Mariupol geöffnet werden kann, ist laut Wereschtschuk fraglich. Seit Kriegsbeginn sollen allein in Mariupol nach ukrainischen Angaben mittlerweile mehr als 2500 Zivilisten getötet worden sein; im gesamten Land starben demnach mehr als hundert Kinder. Zuvor hatten die ukrainischen Behörden von Hunderten zerstörten Schulen und ähnlichen Einrichtungen berichtet. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.
Unterdessen schürten Russlands Außenminister Sergej Lawrow und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vage Hoffnungen auf Fortschritte bei den Gesprächen zwischen den beiden Ländern. Selenskyj sagt in einer Videobotschaft, Friedensverhandlungen müssten zu einem Abkommen führen, dass gerecht für die Ukraine sei und verlässliche Sicherheitsgarantien zum Schutz vor künftigen Bedrohungen beinhalte. Zuletzt hatte er angedeutet, dass seine Regierung bei den Verhandlungen mit Russland bereit sein könnte, auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten, wenn die Ukraine umfassende Sicherheitsgarantien erhalte.
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