Die russischen Truppen haben ihren Feldzug auf die ukrainische Hauptstadt Kiew abgebrochen und sich aus der Region zurückgezogen.
So sieht vielerorts das Ergebnis ihrer etwa vierwöchigen Belagerung aus. Diese Stadt lag ihnen auf ihrem Vormarsch im Weg. Sie sollte offensichtlich zerstört werden, die Bevölkerung ausgehungert oder getötet.
Thore Schröder, Reporter DER SPIEGEL
»Wir stehen hier in den Resten von Novoselivka. Das ist ein Dorf nordöstlich von Tschernihiw. Tschernihiw, eine 300.000-Einwohner-Stadt ganz im Norden der Ukraine, nördlich von Kiew, die für die Russen bei ihrem Vormarsch extrem wichtig war, strategisch.«
Schon am 24. Februar, wenige Stunden nach Beginn der russischen Invasion, hatte der Beschuss der Stadt begonnen. Doch der ukrainischen Armee gelang es, Tschernihiw zu halten, über vier Wochen, bis zum Abzug der Russen. Den Fernsehturm, die Stromleitungen, das Elektrizitäts- und Heizkraftwerk: Die Invasoren bombardierten die Infrastruktur. Aber nicht nur die.
Thore Schröder, Reporter DER SPIEGEL
»Während ihrer Belagerung von teilweise allen vier Seiten haben die Russen die Stadt immer wieder unter Beschuss genommen. Und zwar ganz gezielt auch die Zivilbevölkerung, darunter Krankenhäuser, eine polytechnische Hochschule – auch eine Schlange, wo die Menschen morgens Brot geholt haben. Wir haben auch den Ort besucht, wo Flüchtlinge, die über eine Fußgängerbrücke entkommen waren, dann mit Streumunition belegt wurden.
Tschernihiw selbst, diese jahrhundertealte Stadt, ist weitgehend intakt geblieben. Aber der Aderlass war gewaltig. 700 Menschen sind in der Stadt gestorben während der Belagerung, 300 davon allein waren Zivilisten.«
150 Gebäude in Tschernihiw wurden zerstört, mehr als 2100 beschädigt. Von den vormals rund 300.000 Einwohnern sind jetzt, am Ende der Belagerung, noch etwa 90.000 in der Stadt. Wie es hier jetzt weitergehen soll, weiß derzeit wohl kaum keiner von ihnen.