Krieg in der Ukraine Selenskyj will 2023 über EU-Beitritt verhandeln, USA überweisen Oligarchengeld an Kiew

Der ukrainische Präsident träumt davon, dass die Ukraine bald Teil der EU ist, doch diese gibt sich zurückhaltender. Und: Erstmals schicken die USA beschlagnahmtes Geld eines russischen Milliardärs an Kiew. Die jüngsten Entwicklungen.
EU-Ratspräsident Charles Michel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen

EU-Ratspräsident Charles Michel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen

Foto: SERGEY DOLZHENKO / EPA

Das geschah in den vergangenen Stunden

US-Justizminister Merrick Garland hat bekannt gegeben, dass die USA erstmals beschlagnahmtes Geld eines russischen Oligarchen an die Ukraine überweisen werden. Das Geld stammt demnach vom einflussreichen russischen Milliardär Konstantin Malofejew, der Sanktionen gegen ihn umgangen haben soll. Es werde zunächst ans US-Außenministerium gehen, das es dann »zur Unterstützung des ukrainischen Volks« nutzen werde, sagte Garland laut CNN .

Bei der Ankündigung in Washington war auch der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin anwesend. Ihm zufolge umfasst die Überweisung 5,4 Millionen Dollar, die für den »Wiederaufbau der Ukraine« verwendet würden. »Alle Ukrainer haben auf die eine oder andere Weise unter diesem Krieg gelitten«, schrieb Kostin anschließend auf Twitter. Russland müsse als Täter für den zugefügten Schaden bezahlen.

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Unterdessen haben die Behörden der russischen Region Belgorod, die an die Ukraine grenzt, den dort geltenden »Terroralarm« auf unbestimmte Zeit verlängert. Grund sei der Beschuss einer Fabrik durch ukrainische Streitkräfte, schrieb der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram. Es sei daher offensichtlich notwendig, die Alarmstufe Gelb – erhöhte Terrorgefahr – auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Das ist durch ein Dekret von Kremlchef Wladimir Putin seit Anfang der Woche erlaubt. Bei erhöhter Terrorgefahr, den Alarmstufen Gelb und Rot, werden die Freiheitsrechte der örtlichen Bevölkerung beschnitten, zum Beispiel durch Ausgangssperren oder Fahrzeug- und Personenkontrollen.

Russland beschießt seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine systematisch das Territorium des Nachbarlands, wobei viele Zivilisten sterben. Gleichzeitig klagt Russland über den Beschuss der eigenen Grenzregionen durch die Ukraine.

Das sagt Kiew

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht nach dem Gipfel mit der EU in Kiew weiter Druck für einen raschen Beitritt seines Landes zur Europäischen Union. »Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU«, sagte Selenskyj am Freitagabend in seiner täglichen Videobotschaft. Der Status müsse nur noch rechtlich verankert werden.

Die EU-Kommission mit Präsidentin Ursula von der Leyen an der Spitze hatte indes in Kiew betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg bis zu einer EU-Mitgliedschaft vor sich habe. Einen offiziellen Zeitplan gibt es bislang nicht. Die EU hatte die Ukraine im Juni zusammen mit Moldau zum EU-Beitrittskandidaten erklärt.

Dagegen meinte Selenskyj, dass die EU-Vertreter bei dem Gipfel in Kiew am Freitag Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hätten. »Es gibt ein Verständnis, dass es möglich ist, die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union dieses Jahr zu beginnen«, meinte Selenskyj. »Wir bereiten die Ukraine auf eine größere Integration in den internen Markt der EU vor – das bedeutet mehr Einkommen für ukrainische Unternehmen, mehr Produktion und Jobs in unserem Land. Und mehr Einkommen für unseren Staat und die lokalen Haushalte«, versprach er.

Internationale Reaktionen

Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen. Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte in Kiew zwar Selenskyjs Entschlossenheit und Reformwillen gelobt, aber auch betont, dass es noch einiges zu tun gebe. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), dämpfte ebenfalls Kiews Erwartungen an einen raschen EU-Beitritt. »Schon, dass die Ukraine so schnell Kandidatenstatus bekommen hat, das war ein ganz außergewöhnlicher Vorgang«, sagte Barley am Freitagabend in den ARD-»Tagesthemen«.

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Das Land müsse die gleichen Bedingungen wie alle anderen Beitrittskandidaten erfüllen. Dazu zählten politische, wirtschaftliche und rechtliche Kriterien. »Alle drei Felder sind noch lange nicht erfüllt.« Es sei nicht möglich, ein Land vorschnell aus besonderen Motiven aufzunehmen.

Mit dem Kandidatenstatus seien aber auch schon Vorteile verbunden, gerade finanzielle Unterstützung. Das Land sei mitten im Krieg, da sei es nicht zu erwarten, dass Fortschritte bei den Beitrittskriterien besonders schnell erzielt würden, betonte Barley. Ratspräsident Charles Michel wiederum machte die Ukraine rhetorisch fast schon zum Mitglied: »Ihre Zukunft liegt bei uns in unserer gemeinsamen Europäischen Union. Ihr Schicksal ist unser Schicksal«, sagte der Belgier.

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Der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank hat sich unterdessen für eine strafrechtliche Aufarbeitung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf internationaler Ebene ausgesprochen. »Ob durch den Internationalen Strafgerichtshof oder ein Sondertribunal ist letztlich eine Entscheidung der internationalen Gemeinschaft«, sagte er der »Welt am Sonntag «. Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte im März 2022 zu Kriegsverbrechen im Ukrainekrieg sogenannte Strukturermittlungen eingeleitet. Dabei geht es darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern. Frank sagte, derzeit lägen Hinweise im dreistelligen Bereich vor.

DER SPIEGEL

Was am Samstag wichtig wird

  • Besonders hart umkämpft ist derzeit Bachmut im ostukrainischen Gebiet Donezk (lesen Sie hier  eine aktuelle Reportage über die Situation in Bachmut). Selenskyj betonte, dass Bachmut nicht aufgegeben werde. Die Schlacht um die Stadt gilt als besonders verlustreich. Bachmut könnte von russischen Truppen eingekesselt werden. Der Chef der russischen privaten Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, kritisierte bei Telegram, Selenskyj widersetze sich Aufforderungen, die ukrainischen Truppen abzuziehen. Bachmut sei derzeit das »Hauptereignis dieses Krieges«.

kko/dpa
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