Zwist über Absage Selenskyj will keine offizielle Anfrage für Steinmeier-Besuch erhalten haben

In den Streit über die Absage des Steinmeier-Besuchs hat sich nun der ukrainische Präsident eingeschaltet: Er habe gar keine Anfrage erhalten. Selenskyjs Ergänzung, wen er gern bei sich sieht, dürfte die Wogen kaum glätten.
Ukrainischer Präsident Selenskyj

Ukrainischer Präsident Selenskyj

Foto: Adam Schreck / dpa

Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj keine »offizielle« Anfrage aus Berlin für einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten. Weder er selbst noch sein Büro sei von Steinmeier oder dem Bundespräsidialamt offiziell angefragt worden, sagte Selenskyj am Mittwoch in Kiew. »Wir sind ein freies Land«, fügte er hinzu. »Wir können es uns leisten, uns mit jenen zu umgeben, die uns wirklich unterstützen, uns mit echten Freunden zu umgeben.«

Zuvor hatte schon sein Stabschef Serhij Leschtschenko in einem Interview mit CNN betont, dass Selenskyj keinen Besuch des Bundespräsidenten abgesagt habe. Dagegen wird der Vorfall von mit dem Vorgang betrauten Personen anders dargestellt.

Danach ging der Vorstoß, dass Steinmeier mit vier osteuropäischen Präsidenten am Mittwoch nach Kiew reisen sollte, vom polnischen Präsidenten Andrej Duda aus. Es sollte ein großes Signal der Unterstützung werden, der Hilfe für das von Russland bedrohte Land. Steinmeier willigte dem Vernehmen nach kurzer Bedenkzeit ein. Über die Reisepläne wurde strengste Geheimhaltung vereinbart.

»Wir sind ein freies Land. Wir können es uns leisten, uns mit jenen zu umgeben, die uns wirklich unterstützen, uns mit echten Freunden zu umgeben.«

Am Montag habe Steinmeier erfolglos versucht, mit Selenskyj zu telefonieren. Am Montagabend habe das ukrainische Präsidialamt dann Warschau informiert, dass man Vorbehalte gegen die Teilnahme Steinmeiers habe – worüber dann die deutsche Seite informiert wurde. Auch der Hinweis, dass dies einen politischen Eklat auslösen könnte, hatte keinen Erfolg.

Am Dienstagnachmittag, als Steinmeier Duda in Warschau besuchte, informierte das ukrainische Präsidialamt dann schriftlich die deutsche Botschafterin in Kiew, dass man aus logistischen Gründen gegen eine Teilnahme Steinmeiers an dem Besuch des osteuropäischen Quartetts sei.

Die »Bild«-Zeitung machte unter Berufung auf ukrainische Diplomaten den Geheimtrip öffentlich – und berichtete über ein Veto der Regierung in Kiew. Ausdrücklich wegen seiner früheren Russlandpolitik sei Steinmeier nicht willkommen. Als Außenminister hatte Steinmeier unter anderem enge Kontakte zu seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow und sich jahrelang für den Bau der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 eingesetzt.

In einem SPIEGEL-Gespräch hat er dann vor einer Woche Fehler in seiner Politik gegenüber Russland eingestanden. Er habe, sagte Steinmeier, »noch auf einen Rest an Rationalität bei Putin gehofft« .

Der Bundespräsident hatte sich nach der Absage noch in Warschau öffentlich enttäuscht geäußert: Er wäre gern zusammen mit den Präsidenten Lettlands, Litauens und Estlands nach Kiew gereist, »um ein starkes Zeichen der Solidarität Europas mit der Ukraine zu setzen. Ich hätte diese Gelegenheit gern wahrgenommen. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass dies offensichtlich nicht gewünscht ist.«

Die Abfuhr – wie auch immer sie ausgesprochen wurde und von wem – hatte in Deutschland für Empörung gesorgt.

Bundeskanzler Olaf Scholz, der vom ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, noch am selben Tag nach Kiew eingeladen wurde, bezeichnete es als »irritierend«, dass die Ukraine den geplanten Besuch von Steinmeier abgelehnt hat. Seine Konsequenz: Er wird nun vorerst auch nicht in die Ukraine reisen.

oka/AFP/Reuters
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