Ukrainekonflikt Polen empört sich über deutsches Wegducken beim Thema Waffenlieferung

Deutschland steht vor einem Treffen zwischen Russland und der Ukraine zu seinem Nein zu Waffenlieferungen – und wird nun von Polen scharf kritisiert. Auch Estland hofft auf ein Einlenken. Es geht um Haubitzen aus DDR-Altbeständen.
Streitgegenstand zwischen Deutschland und Estland: Die 122-mm-Haubitze D-30 aus sowjetischer Produktion, hier bei einem russischen Manöver

Streitgegenstand zwischen Deutschland und Estland: Die 122-mm-Haubitze D-30 aus sowjetischer Produktion, hier bei einem russischen Manöver

Foto: Gavriil Grigorov / picture alliance / dpa / TASS

Erstmals seit Beginn der neuen Spannungen um den massiven russischen Truppenaufmarsch nahe der Ukraine wollen offizielle Vertreter beider Konfliktländer zu Gesprächen zusammenkommen. In Paris ist heute ein Treffen auf Beraterebene zwischen Russland und der Ukraine geplant – auch Frankreich und Deutschland nehmen an dem sogenannten Normandie-Format teil. Unmittelbar vor Beginn des Treffens hat nun Polen der deutschen Regierung vorgeworfen, sich in der Ukrainefrage wegzuducken – gerade beim Thema Waffenlieferungen.

»In Polen und in anderen osteuropäischen Ländern fragen sich viele, welches Spiel Deutschland im Ukraine-Konflikt eigentlich spielt«, sagte der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek der Nachrichtenagentur dpa während eines Besuchs in Berlin. Es gebe Zweifel, ob man auf Deutschland zählen könne. »Ich würde mir wünschen, dass sich diese Zweifel nicht verstärken, sondern abgebaut werden. Wir brauchen da klare Signale von Deutschland.«

Streit um DDR-Haubitzen

Konkret forderte der Vizeaußenminister von der Bundesregierung ein klares Nein zur Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 und eine schnelle Genehmigung der Lieferung von Haubitzen aus früheren DDR-Beständen aus Estland in die Ukraine. »Wir befinden uns in einer speziellen Situation. Und in einer speziellen Situation sollte man auch zu speziellen Mitteln greifen«, sagte er zur deutschen Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine. »Und deswegen erwarten wir starke Worte und starke Taten der deutschen Regierung und nicht eine Vernebelung der Tatsachen.«

Die Bundesregierung prüft eine von Estland beantragte Genehmigung für eine Waffenlieferung an die Ukraine. Diese ist erforderlich, weil die Haubitzen aus DDR-Altbeständen mit Auflagen zunächst an Finnland verkauft und dann später von dort an Estland gegeben worden waren. Die Ukraine fordert von Deutschland darüber hinaus Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen einen möglichen russischen Angriff in großem Stil, unter anderem Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben der Lieferung letaler, also tödlicher Waffen, eine klare Absage erteilt.

Deutschland bleibt beim Nein zu Waffenlieferungen

Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, wies die Kritik der Verbündeten am deutschen Vorgehen in der Krise zurück. »Unsere restriktive Rüstungsexportpolitik wird sich auch mit der Ampel-Koalition nicht ändern. Das bedeutet: Keine Lieferungen von letalen Waffen in Krisengebiete«, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Angesichts der russischen Aggressionen, die auch andere Staaten inzwischen spürten, empfahl er jedoch Vorsicht. Deutschland müsse »die Bedrohungen, die unsere polnischen oder baltischen Partner, inzwischen aber auch die finnischen oder schwedischen Freunde empfinden«, sehr ernst nehmen. »Über diese Sicherheitsinteressen dürfen wir nicht einfach hinweggehen.«

DER SPIEGEL

Russland rief Roth erneut zum Einlenken auf: »Das oberste und wichtigste Ziel ist, dass Russland seine militärische Aggression beendet und die über 100.000 gefechtsbereiten Soldaten an der Grenze zur Ukraine abzieht.« Zudem müsse Russland auch bereit sein, andere hybride Formen der Kriegsführung zu unterlassen.

Westliche Staaten hatten sich jüngst zunehmend besorgt gezeigt, Russland könne den Konflikt mit einem militärischen Einmarsch in die Ukraine eskalieren lassen. Moskau dementierte derartige Absichten.

Beim nun angesetzten Normandie-Treffen soll es um humanitäre Maßnahmen und Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen. Außerdem wolle man ein Datum finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt. Die Ukraine lehnte dies bisher offiziell ab. Sie sieht Moskau und nicht die Separatisten als Verhandlungspartner.

Nach Uno-Schätzungen wurden bei Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen Region Donbass seit 2014 mehr als 14.000 Menschen getötet. Gegenwärtig liegen Friedensgespräche auf Eis.

Kroatien entschuldigt sich für beleidigende Aussagen

Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic musste zugleich nach herabwürdigenden Äußerungen des kroatischen Präsidenten Zoran Milanovic Wogen mit der Ukraine glätten. »Ich möchte mich im Namen der kroatischen Regierung bei der Ukraine entschuldigen, einem der ersten Staaten, die (im Jahr 1991) den Staat Kroatien anerkannt haben«, erklärte der Regierungschef nach Angaben der Nachrichtenagentur Hina.

Milanovic hatte am selben Tag gesagt, dass die Ukraine »einer der korruptesten Staaten der Welt« sei. Kroatien werde im Falle eines Konfliktes alle seine Soldaten von dort abziehen. »All dies passiert im Vorzimmer Russlands«, fügte er hinzu. Es müsse eine Vereinbarung erzielt werden, die »die russischen Sicherheitsinteressen berücksichtigt«.

»Zuerst dachte ich, dass da eine Art russischer Beamter spricht«, kommentierte Plenkovic die Äußerungen von Milanovic. Es gebe keine kroatischen Soldaten in der Ukraine. Ein Kontingent kroatischer Offiziere sei eben im Rahmen eines Nato-Austausches planmäßig aus Polen zurückgekehrt. Darüber hinaus stehe Kroatien zu seinen Bündnisverpflichtungen, sagte Plenkovic.

mrc/dpa/Reuters
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