Streit über Rechtsstaatsmechanismus Ungarn und Polen blockieren EU-Corona-Hilfen

Die EU wollte ein 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre beschließen. Ungarn und Polen legten nun ein Veto dagegen ein – aus Protest gegen eine Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit.
Ungarns Premier Viktor Orbán und Polens Premier Mateusz Morawiecki

Ungarns Premier Viktor Orbán und Polens Premier Mateusz Morawiecki 

Foto:

Czarek Sokolowski / dpa

Polen und Ungarn haben mit einem Veto die Entscheidung über den langfristigen EU-Haushalt blockiert. Damit sind auch die milliardenschweren Corona-Hilfen nicht beschlossen. Für das Inkrafttreten des rund 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaketes für die nächsten sieben Jahre ist die Zustimmung aller EU-Staaten erforderlich.

Sebastian Fischer, Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, bestätigte auf Twitter, dass die Versuche, Einstimmigkeit zu erzielen, gescheitert seien. »Ungarn hat sein Veto gegen das Budget eingelegt«, schrieb auch ein Sprecher von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán auf Twitter. »Wir können den Plan, Rechtsstaatskriterien an Haushaltsentscheidungen zu knüpfen, in seiner jetzigen Form nicht akzeptieren.« Denn dieser verstoße gegen die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Juli.

Die Frage, ob EU-Mittel mit der Achtung der Rechtsstaatlichkeit in Verbindung gebracht werden könnten, sei »grundlegend für die Zukunft Polens«, sagte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro. Für Polen gehe es darum, ob es ein souveränes Land innerhalb der EU sei oder »der politischen und institutionalisierten Versklavung unterworfen wird«.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Im Sommer hatte sich die EU auf das historische Finanzpaket geeinigt: 750 Milliarden Euro für den Corona-Aufbaufonds und noch einmal knapp 1,1 Billionen für den mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027, der zum Beispiel Zuschüsse für die Landwirtschaft und Forschungsprogramme finanziert. Seitdem wird über Details diskutiert.

Ungarn und Polen hatten ihr Veto bereits angekündigt. Sie sind nicht mit dem geplanten Rechtsstaatsinstrument einverstanden. Das EU-Parlament und Mitgliedsländer hatten sich darauf geeinigt, dass EU-Mittel bei bestimmten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können: etwa, wenn Staaten die Unabhängigkeit der Gerichte und der Medien nicht gewähren. Ungarn und Polen stehen wegen solcher Verstöße seit Jahren in der Kritik.

Den Rechtsstaatsmechanismus selbst konnten sie nicht verhindern: Er wurde mit qualifizierter Mehrheit beschlossen, Polen und Ungarn waren dabei überstimmt worden – dann legten sie ihr Veto ein.

EU in schwerer politischer Krise

Die EU steckt mit dem blockierten Finanzpaket inmitten der Pandemie erneut in einer schweren politischen Krise. Nach Angaben von Diplomaten werden nun Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über das weitere Vorgehen beraten müssen. Der Streit wird dann vermutlich zum Thema einer für Donnerstag geplanten Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs. Bei ihr sollte es eigentlich vor allem um eine bessere Zusammenarbeit gegen die Corona-Pandemie gehen.

Kann das Finanzpaket nicht auf den Weg gebracht werden, wird der EU ab dem kommenden Jahr nur noch ein Nothaushalt zur Verfügung stehen. Zudem könnten die Corona-Hilfen nicht fließen, die Länder wie Italien und Spanien vor einem wirtschaftlichen Absturz bewahren sollen.

Die Auszahlung der ersten Mittel sollte eigentlich im Laufe des zweiten Quartals 2021 möglich gemacht werden. Dafür ist neben den am Montag blockierten Beschlüssen aber auch noch ein aufwendiger Ratifizierungsprozess notwendig. Nach Angaben aus der EU-Kommission müssen dazu in fast allen EU-Ländern auch die nationalen Parlamente mit dem Thema befasst werden.

mfh/dpa/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten