Militarisierung unter Orbán Ungarns rechter Sound zu deutschen Panzern

50 "Leopard 2"-Panzer liefert Deutschland an Ungarn - ein wichtiger Schritt in Orbáns Militarisierungsprozess. Wie weit dieser längst die Bevölkerung erfasst hat, zeigt der Umgang mit einer rechtsextremen Band.
"Leopard 2A4HU" in Tata, Ungarn: "Panzermarsch" beim Staatsbesuch

"Leopard 2A4HU" in Tata, Ungarn: "Panzermarsch" beim Staatsbesuch

Foto: Csaba Krizsan/ AP

Als Annegret Kramp-Karrenbauer Mitte Juli zu einem Arbeitsbesuch in Budapest weilte, herrschte ungetrübte deutsch-ungarische Harmonie. Die Verteidigungsministerin und ihr Amtskollege, Tibor Benkö, lobten die militärischen Beziehungen beider Länder übereinstimmend als "außerordentlich gut, stark und freundschaftlich". Besonders bedankte sich Benkö für umfangreiche deutsche Waffenlieferungen, unter anderem für "Leopard 2"-Panzer, von denen Ungarn fast 50 Stück bestellt hat.

Allein im vergangenen Jahr exportierten deutsche Firmen Rüstungsgüter für die Rekordsumme von 1,8 Milliarden Euro nach Ungarn - das Land ist damit einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Waffen, Deutschland wiederum der wichtigste Partner für das Aufrüstungsprogramm von Viktor Orbán. Nebenbei erkauft sich der ungarische Premier so möglicherweise auch ein gewisses deutsches Schweigen zur antidemokratischen Umgestaltung in Ungarn.

Annegret Kramp-Karrenbauer mit Ungarns Verteidigungsminister Tibor Benkö in Budapest

Annegret Kramp-Karrenbauer mit Ungarns Verteidigungsminister Tibor Benkö in Budapest

Foto: SZILARD KOSZTICSAK/EPA-EFE/Shutterstock

Was Kramp-Karrenbauer, die aktuell mit einer "neuen Dimension des Rechtsextremismus in der Bundeswehr" konfrontiert ist, bei ihrem Besuch nicht ahnte:

Die musikalische Begleitung für die rollenden deutschen Panzer und ihre ungarischen Besatzungen hat die bekannte ungarische rechtsextrem-militaristische Hardrockband Kárpátia komponiert. "Panzermarsch" heißt ihr äußerst gewaltverherrlichendes Lied.

Sound von rechts

Kein Ausrutscher: Kárpátia ist eine der populärsten Rechtsrockbands in Ungarn. Ihre Lieder glorifizieren die autoritär-antisemitische Horthy-Ordnung der Zwischenkriegszeit und den Kampf der mit Hitler verbündeten ungarischen Soldaten in der Sowjetunion. Die Band fordert in ihren Texten ein ethnisch reines Großungarn von der Westukraine bis an die kroatische Adria.

Kárpátia gehörte früher zum Lager der rechtsextremen Partei Jobbik. Nach deren Mäßigung näherte sich die Band Orbáns Partei Fidesz an. Der Leadsänger János Petrás wurde in Rumänien 2018 wegen nationalistischer Hetze rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und hat dort Auftrittsverbot . In Ungarn bekam er schon 2013 einen Staatspreis.

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Das Lied "Panzermarsch" schrieb Petrás auf Bitte des 11. Panzerbataillons im nordwestungarischen Tata, das kürzlich die ersten "Leopard 2"-Panzer geliefert bekam. Im Text geht um die Verteidigung der "heiligen Heimat" mit "Feuer und Eisen". Im Refrain heißt es: "Die Panzerbrigade auf ihren Kettensohlen/rollt auch im Höllenfeuer weiter/In Blut und Schlamm, entschlossen, mutig/Bereit zu allem, wartend auf den Befehl."

Kárpátia veröffentlichte das Lied am vergangenen Wochenende auf seiner Facebook-Seite, zusammen mit Fotos, die die Bandmitglieder vor den "Leopard"-Panzern in Tata zeigen. Auch die Regierungszeitung "Magyar Nemzet" berichtete prominent darüber.

Kramp-Karrenbauer habe keine Kenntnis von dem Liedgut gehabt, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage des SPIEGEL mit. Weiter wollte sich das Verteidigungsministerium dazu nicht äußern: Man nehme keine Stellung zu internen Angelegenheiten der ungarischen Streitkräfte.

Orbáns Militarisierungsprozess

Der Sound passt zu der zunehmenden Militarisierung Ungarns unter Viktor Orbán, die immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens erfasst:

  • Seit 2016 lässt Orbán ein in der Region herausragendes Programm zur Modernisierung und Vergrößerung der Armee umsetzen. Seitdem erhält das ungarische Verteidigungsministerium jedes Jahr einen neuen Rekordhaushalt - für das kommende Jahr steigt er trotz Coronakrise um 26 Prozent.

  • Die Zahl der Berufssoldaten soll von derzeit etwa 30.000 auf knapp 40.000 erhöht werden, außerdem will die Regierung dauerhaft etwa 20.000 Reservisten rekrutieren.

  • Immer mehr Schulen bieten das bisher noch freiwillige Wehrkundefach "Erziehung zum patriotischen Heimatschutz" an.

  • Etwa 80.000 Freiwillige dienen in Bürgerwehren als Hilfspolizisten, in Grenzregionen beteiligen sie sich an der Suche nach illegalen Migranten.

  • Die soldatische Heldenverklärung wird staatlich stark gefördert. So etwa ziehen jedes Jahr im Januar Kolonnen originalgekleideter Soldaten während der "Don-Heldentour" durch Ungarn. Dabei wird an die in der Sowjetunion gefallenen, mit Hitlers Wehrmacht verbündeten ungarischen Soldaten erinnert. Auch die rechtsextreme Veranstaltung "Ausbruchstour", die an die Belagerung von Budapest erinnert, wird von Orbáns Partei Fidesz unterstützt.

  • Seit Beginn der Coronakrise ist die Präsenz von Polizei und bewaffneten Soldaten im öffentlichen Raum stark gestiegen. Orbán selbst pflegt in Reden und Interviews eine zunehmend militaristische Rhetorik.

Gegen die Unterstützung aus dem Rechtsrock dürfte die ungarische Regierung nichts einzuwenden haben, im Gegenteil: Rechtsrock ist unter jüngeren Ungarn sehr populär und könnte für Orbán Wähler mobilisieren, die von Fidesz wegen der vielen Korruptionsaffären ansonsten eher abgestoßen sind.

An "Panzermarsch" von Kárpátia hat das ungarische Verteidigungsministerium jedenfalls nichts zu beanstanden. "Es geht um Heimatliebe und Respekt für die Soldaten", schreibt das Ministerium auf Anfrage des SPIEGEL. "Wir freuen uns, dass ein Kunstwerk entstanden ist, welches den Militärdienst und die soldatische Berufung möglichst breit popularisiert." Das Lied, betont das Ministerium, habe die Gruppe unentgeltlich komponiert.

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