Soldaten in Deutschland US-General nennt Trumps Abzugsbefehl "kolossalen Fehler"

Der frühere Befehlshaber aller US-Truppen in Europa hat den geplanten Abzug von 9500 US-Truppen aus Deutschland scharf kritisiert. "Ich glaube, die Entscheidung durch die US-Regierung von Präsident Trump ist ein kolossaler Fehler", sagte Ben Hodges dem SPIEGEL. Hodges war Dreisternegeneral und Befehlshaber aller US-Heerestruppen. Er war bis 2017 in Europa. Nach seiner Pensionierung arbeitet er für den Thinktank "Center for European Policy Analysis", sein Rat ist weltweit gefragt.
Die Kritik des Topmilitärs ist beißend. Die Entscheidung von Donald Trumps Kernteam im Weißen Haus geißelte er als "rein politisches Manöver". Niemand in der Administration habe vorher einen militärischen Rat eingeholt, was der Truppenabzug für die US-Präsenz in Europa eigentlich bedeutet. "Die Entscheidung illustriert, dass der Präsident nicht verstanden hat, wie essenziell die in Deutschland stationierten US-Truppen für die Sicherheit Amerikas sind", sagte Hodges.
Das Weiße Haus hatte in den vergangenen Tagen entschieden, 9500 von den derzeit knapp 35.000 US-Soldaten in Deutschland abzuziehen. Faktisch soll es eine starre Obergrenze geben, die die Zahl der US-Soldaten in Deutschland auf rund 25.000 deckelt. Dies würde auch diejenigen Truppen betreffen, die während eines Kontingentwechsels oder auf der Durchreise in die verschiedenen Einsatzgebiete der US-Armee weltweit sind.
Pläne würden eigene Möglichkeiten limitieren
Amerikanische und deutsche Militärs zeigten sich verwundert über die Obergrenze, da man sich aus Sicht der Strategen damit selbst in seinen Möglichkeiten limitiere. Die USA nutzen Deutschland wie eine Art Brückenkopf für Militärmissionen und Übungen in ganz Europa. Auch die Missionen im Irak oder Afghanistan werden über Deutschland versorgt. Dabei sind teils Tausende US-Soldaten kurzzeitig in Deutschland, dies wäre durch die Obergrenze wohl nicht mehr möglich.

Ben Hodges, ehemaliger Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa: "Partner werden sich fragen, ob die USA sich der Sicherheit in Europa noch verpflichtet fühlen"
Foto: Ingo Wagner/ dpaHodges geht in seiner Kritik noch weiter. Demnach habe Trump gemeinsam mit Richard Grenell, dem früheren US-Botschafter in Deutschland, in den USA und Europa Porzellan zerschlagen. "Der Kongress wurde nicht eingeweiht, die US-Kommandeure in Europa waren ahnungslos, mit Deutschland oder der Nato hat niemand gesprochen", sagte er. Ein solches Vorgehen, so der General, gefährde den Zusammenhalt innerhalb des Bündnisses. "Viele unserer Partner werden sich fragen, ob die USA sich der Sicherheit in Europa noch verpflichtet fühlen", so seine Analyse.
US-Regierung provoziert Berlin
Tatsächlich wurde die Bundesregierung von der US-Entscheidung ziemlich kalt erwischt. Als DER SPIEGEL den zuständigen Ministerien am Freitagnachmittag Fragen zu Trumps Abzugsbefehl und den Konsequenzen schickte, war man dort zunächst gar nicht im Film. Zwar hatte man am Freitag Gerüchte über den Schritt aufgeschnappt. Auf offiziellem Weg aber meldete sich die Trump-Regierung nicht in Berlin, was man schon als bewusste Provokation interpretieren kann.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses zeigte sich enttäuscht von Trump, blieb aber diplomatisch. "Ein solcher Abzug wäre unter jedem Gesichtspunkt sehr bedauerlich", sagte Norbert Röttgen der Funke Mediengruppe. "Einen sachlichen Grund für den Abzug vermag ich nicht zu erkennen", hob Röttgen hervor. So seien die US-Soldaten in Deutschland willkommen, ihre Stationierung sei für die Koordination der Präsenz der USA in Europa "enorm wichtig", sagte er.
Deutlich schärfer ging der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung mit Trump ins Gericht. "Das deutsch-amerikanische Verhältnis könnte von einer solchen Entscheidung des US-Präsidenten sehr stark beeinträchtigt werden", sagte Peter Beyer der Nachrichtenagentur dpa. Mit dem Abzug, so Beyer, würden "transatlantische Brücken wegbrechen". Beyer kritisierte auch den Umgang der USA mit Deutschland. Es sei "sehr irritierend, dass die Pläne nicht mit der Bundesregierung besprochen worden sind". Bis jetzt habe die Bundesregierung keine Informationen erhalten.
Der erfahrene General Hodges wertete den Abzug auch außenpolitisch als fatales Signal in Richtung Russland. "Der Kreml hat nichts getan, um ein solches Geschenk zu bekommen, weder in der Ukrainekrise noch in Syrien hat Moskau auch nur ein bisschen eingelenkt", erläuterte er. Dass die USA nun ausgerechnet aus Deutschland gut ein Viertel ihrer Soldaten abziehen, müsse für Moskau wie ein Zeichen der Schwäche und der Uneinigkeit innerhalb der Nato wirken.
Hodges appellierte deutlich an den US-Kongress, die Entscheidung von Trump zu korrigieren. "Ich hoffe, dass der Kongress seine verfassungsmäßigen Rechte ausübt und die Finanzierung für den Abzug verweigert", sagte Hodges. Als erstes müssten die relevanten Gremien des Kongresses umgehend Sondersitzungen einberufen und sich vom Pentagon erklären lassen, wie die Strategie zur Sicherung der amerikanischen Interessen in Europa aussehe.
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes stand, Norbert Röttgen sei außenpolitischer Sprecher der Union. Er ist allerdings Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Wir haben das korrigiert.