Erste US-Vorwahlergebnisse in Iowa Zwei Sieger, viele Verlierer

Die Zahlen ließen 24 Stunden auf sich warten: Pete Buttigieg und Bernie Sanders gehen als Sieger aus den ersten Vorwahlen der US-Demokraten in Iowa hervor. Zeichnet sich damit schon das Duell der nächsten Wochen ab?
Aus Des Moines, Iowa, berichten Roland Nelles und Marc Pitzke
Unterschiedlicher könnten die Bewerber kaum sein: Iowa-Vorwahlsieger Pete Buttigieg (l.) und Bernie Sanders

Unterschiedlicher könnten die Bewerber kaum sein: Iowa-Vorwahlsieger Pete Buttigieg (l.) und Bernie Sanders

Foto: Spencer Platt/ Getty Images/ AFP; Brendan McDermid/ REUTERS

Am Tag danach ist fast alles schon wieder so wie immer in Iowa. Ein eisiger Wind fegt über das flache Land rings um die Hauptstadt Des Moines. Die meisten Kandidaten sind noch in der Nacht nach New Hampshire weitergereist, zur nächsten Etappe. Die Armee von Journalisten packt ebenfalls zusammen.

Und endlich steht fest, wer die erste Vorwahl der US-Demokraten nun eigentlich gewonnen hat. Na gut, zumindest so in etwa.

Nach fast 24 Stunden Auszählchaos veröffentlichten die gedemütigten Demokraten am Dienstag die ersten Ergebnisse. Demnach gibt es zwei Sieger - und jede Menge Verlierer.

Die Sieger, das sind der 38 Jahre junge Ex-Bürgermeister Pete Buttigieg aus Indiana und der linke Senator Bernie Sanders, 78, aus Vermont. Sie konnten in Iowa die meisten Stimmen einsammeln: Nach Auszählung von fast drei Vierteln der Stimmen (71 Prozent) kam Buttigieg auf 26,8 Prozent, mehr als alle anderen Kandidaten, und Sanders auf 25,2 Prozent.

Der Jüngste und der Älteste gemeinsam vorn. Die Rangfolge kann sich noch ändern. Doch der Trend scheint klar zu sein.

In dem Ergebnis dokumentiert sich einmal mehr die Spaltung der US-Demokraten: Während ein Teil überzeugt ist, dass die Partei nur mit einem progressiven Kandidaten wie Sanders bei der Präsidentschaftswahl im November gegen Donald Trump gewinnen kann, setzen die anderen ihre Hoffnung eher in einen Bewerber der Mitte wie Buttigieg.

Ein schwarzer Tag für Joe Biden

Zu den Verlierern von Iowa zählt derweil ganz klar Joe Biden, der frühere Vizepräsident unter Barack Obama. Die Aura Obamas, dessen historischer Aufstieg 2008 hier in Iowa begonnen hatte, nutzte Biden wenig. Buttigieg, sein neuer Rivale aus dem moderaten Lager, jagte ihm Stimmen ab. Biden erreichte nur 15,4 Prozent der Delegierten, ein verheerender vierter Platz und denkbar schlechter Start in das Rennen.

Seine Agenda, ein Mix aus staatsmännischen Parolen und gemäßigten Inhalten, blieb schwammig, eher Gefühl als Programm. Zudem wirkte der 77-Jährige bei seinen Auftritten fahrig. Schon jetzt geht ihm das Geld aus, nun dürften die Spenden noch schleppender kommen.

Ein weiterer Verlierer von Iowa ist Troy Price, der in der Nacht zum Dienstag unrühmliche Prominenz erlangte. Als zuvor unbekannter Landeschef der Partei ist er mitverantwortlich für das hochpeinliche Durcheinander bei der Erfassung der Stimmen. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagt er am Tag danach niedergeschlagen und verweist erneut auf Computerprobleme in der Wahlnacht. "Ich entschuldige mich dafür."

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Auch die Senatorinnen Elizabeth Warren (18,4 Prozent) und Amy Klobuchar (12,6 Prozent) können über den Ausgang nicht so richtig glücklich sein. Zwar bemühen sich beide nach Verkündung der ersten Ergebnisse um demonstrativen Optimismus. Doch ihre Chancen, den Gesamtsieg davonzutragen, haben sich nicht unbedingt verbessert.

Gerade Warren, die mit einem linken Programm antritt, investierte viel Zeit und Geld in Iowa, hier wollte sie Rückenwind für eine Siegesserie bei den kommenden Vorwahlen bekommen. Im Dezember hatte sie in Umfragen noch landesweit vor Sanders gelegen, ihrem progressiven Rivalen. Doch Sanders bindet die meisten Stimmen von links, vor allem viele Junge halten zu ihm. Warren hat das Nachsehen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

In New Hampshire, dem nächsten Vorwahlstaat, kommt es nun darauf an: Wird sich dort am kommenden Dienstag das Ergebnis von Iowa wiederholen - oder können Warren, Biden und Klobuchar gegenüber Sanders und Buttigieg Boden gutmachen? Noch im Morgengrauen landeten die ersten Kandidaten dort, aus Iowa kommend, und stürzten sich übernächtigt gleich schon wieder in den Wahlkampf von Tür zu Tür, Kneipe zu Kneipe.

Buttigieg, der Überraschungssieger von Iowa, steht dabei im Mittelpunkt des Interesses. Der erste offen schwule Präsidentschaftskandidat der Demokraten punktete quer durch alle Bevölkerungsgruppen, bei jungen Wählern, aber auch bei Frauen und den Älteren auf dem Lande. Diese Gruppen will er jetzt auch in New Hampshire ansprechen. In Iowa habe sich gezeigt, dass seine Botschaft überall gut ankomme: "In Städten, auf dem Land und in den Vororten."

Sanders wiederum hat einen Heimvorteil in New Hamsphire, er kommt aus dem Nachbarstaat Vermont, ist dort bei der Basis beliebt. Bei der Wahl 2016 gewann er in New Hampshire gegen Hillary Clinton mit deutlichem Abstand.

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Es kann aber - wie immer - alles auch noch mal ganz anders kommen. Alle Kandidaten haben ihre Schwächen, auch Sanders und Buttigieg. Selbst wenn sie in New Hampshire erneut erfolgreich wären, könnte ihre Glückssträhne abreißen. Sie haben bislang wenig Erfolg bei Afroamerikanern und Latinos. Diese Gruppen sind aber in den folgenden Vorwahlstaaten - South Carolina und Nevada - besonders stark vertreten.

Dort rechnet sich Biden wiederum besonders große Erfolgschancen aus. Für ihn gilt der Südstaat South Carolina dank seiner Popularität bei Schwarzen als die letzte Brandmauer.

Doch selbst dann dürfte ihm noch ein anderer auflauern: Mike Bloomberg, der Multimillionär und Ex-Bürgermeister von New York, sitzt die ersten vier Vorwahlen aus und macht stattdessen seinen eigenen, selbst finanzierten Wahlkampf. So trat er zuletzt oft in Kalifornien und Texas auf, zwei der 14 Staaten, die am "Super Tuesday" am 3. März rund 33 Prozent der Delegierten bestimmen. Da hofft er dann, zuzuschlagen.

Das Iowa-Debakel kommt Bloomberg gelegen. Er nutzt das Chaos für sich aus, indem er seine TV-Werbeausgaben verdoppelt und seine Bodentruppen auf mehr als 2000 Personen vergrößert. "Nach mehr als einem Jahr Vorwahlkampf ist das Feld ungewisser denn je", sagte Bloombergs Sprecherin Sabrina Singh. "Niemand überzeugt oder kommt dem auch nur nahe."

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