Swing State Arizona Wie Joe Biden den Wilden Westen eroberte

Arizona war über Jahrzehnte fest in republikanischer Hand – bis zu dieser Wahl. Joe Bidens Erfolg dort ist das Ergebnis einer lang angelegten Strategie. Und eines Fauxpas von Donald Trump.
Von Ralf Neukirch, Atlanta
Bürger Arizonas auf dem Weg zum Wahllokal

Bürger Arizonas auf dem Weg zum Wahllokal

Foto: Larry Price / AP

Vielleicht begann das Ende der republikanischen Herrschaft über Arizona im November 2016, als Joe Arpaio  nach 24 Jahren abgewählt wurde.

Arpaio war Sheriff in Maricopa County, dem größten Bezirk des Landes. Er nannte sich selbst den härtesten Sheriff der USA. Er sperrte Gefangene bei glühender Hitze in Zeltstädten ein und legte weiblichen Gefangenen Eisenketten an die Füße. Arpaio war Arizona –, bis er es dann plötzlich nicht mehr war.

Luis Avila verortet den Wandel früher. Vor zehn Jahren habe die demokratische Partei begonnen, systematisch eine Wählerbasis aufzubauen, sagt Avila am Telefon. Er hilft als Community Organizer in Phoenix Einwanderern dabei, sich auf Partei- und Regierungsämter vorzubereiten.

Eine halbe Million neue Wähler

"Wir haben das ganze Jahr über gearbeitet, nicht nur wie früher in Wahljahren", sagt er. "Wir haben in zehn Jahren eine halbe Million neue Wähler registriert. Wir haben eine Koalition aus jungen Leuten, städtischen Wähler und aus Latino- und anderen Minderheitengruppen geschmiedet."

Diese Koalition sollte die Demokraten im ganzen Land, zu Siegen führen. Aber wie diese Wahlen gezeigt haben, ist sie mancherorts mehr Wunsch als Wirklichkeit. In Arizona hat sie Joe Biden und seiner Partei zum Sieg verholfen.

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Vor Biden war Bill Clinton der einzige demokratische Präsident in den vergangenen 68 Jahren, der in Arizona gewinnen konnte. Trump hatte hier 2016 noch fast vier Prozentpunkte Vorsprung.

Und nicht nur das. Erstmals seit den Fünfzigerjahren entsendet Arizona zwei demokratische Senatoren nach Washington. Der frühere Astronaut Mark Kelly besiegte die republikanische Amtsinhaberin Martha McSally deutlich.

Das ist nicht nur ein Ergebnis der Aufbauarbeit, die die Partei hier geleistet hat. Der Staat hat sich in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert und damit auch die politische Landschaft.

Ex-Astronaut und künftiger Senator Mark Kelly

Ex-Astronaut und künftiger Senator Mark Kelly

Foto: CHENEY ORR / REUTERS

An manchen Orten sieht Arizona aus, als würde hier noch immer die amerikanische Grenze von Pionieren verteidigt. Nicht umsonst steht hier das "Museum des Westens", wobei damit der Wilde Westen gemeint ist.

Arizona wandelt sich rasend schnell

Andere Regionen dagegen haben eine atemberaubende Entwicklung durchgemacht. Der Großraum Phoenix ist eine der am schnellsten wachsenden Regionen in den USA.

Ein Teil der Zugezogenen kommt aus dem mittleren Westen. Es sind Menschen, die die eisigen Winter ihrer Heimat fliehen. Viele kommen auch aus Kalifornien, wo das Leben mittlerweile so viel kostet, dass es sich immer weniger Bürger leisten können. Es sind Menschen aus der Mittelschicht, die nicht an eine Partei gebunden sind.

Und dann sind da noch die Einwanderer aus Mexiko, aus Mittel- und Südamerika. Die Latinos machen mittlerweile ein knappes Drittel der Bevölkerung aus. Aktivisten wie Avila haben ein breites Netz aufgebaut, um sie für die Demokraten zu gewinnen. Die Latinos haben 2020 nach ersten Erhebungen zu über 70 Prozent für Biden gestimmt.

Die Partei hat zudem aus ihren Fehlern gelernt. Hillary Clinton hat Arizona 2016 weitgehend ignoriert, in dem falschen Glauben, sie brauche den Staat nicht. Biden und seine Vize-Kandidatin Kamala Harris haben dagegen Wahlkampfveranstaltungen in Arizona abgehalten und Millionen in Wahlwerbung investiert.

20.000 Stimmen gerettet

Die Demokraten haben nach und nach eine machtvolle Basisorganisation aufgebaut. Das hat es ihnen ermöglicht, gegen die auch in Arizona verbreitete Wählerunterdrückung vorzugehen. Nach Angaben der Partei gelang es 2016, rund 20.000 Stimmen, die als ungültig gezählt werden sollten, nachträglich für gültig zu erklären. Die Partei war auf 2020 gut vorbereitet.

Am Ende könnt auch ein lokaler Faktor zu Bidens Sieg beigetragen haben. Der verstorbene republikanische Senator John McCain wurde von den Einwohnern Arizonas über die Parteigrenzen hinweg verehrt. Trump dagegen hatte über ihn unter anderem gesagt, McCain sei kein Held, weil er sich im Vietnamkrieg habe gefangennehmen lassen. Trump über den hochdekorierten Flieger: "Ich mag Leute, die nicht gefangen wurden, okay?"

Selbst Republikaner waren empört. McCains Witwe Cindy rief sogar via Twitter zur Wahl von Biden auf:

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Sein frühere Berater Mike Murphy sagte, die Wahl Bidens sei McCains späte Rache. Der Satz ist in den Wahlsendungen von CNN und den befragten Experten immer wieder zu hören.

Aber die Gründe für das Kippen Arizonas liegen tiefer. "Was wir aufgebaut haben, ist stabil", sagt Avila. "Das wird diese Wahl überdauern."

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