Um wie viele Prozentpunkte liegt Joe Biden in Georgia vorn? Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump Florida verliert? In laufend aktualisierten Modellrechnungen versuchen die Demoskopen in den USA, den Ausgang der Präsidentschaftswahl bis auf den Zehntel-Prozentpunkt genau vorherzusagen.
Mit diesem Klein-klein hält sich einer nicht auf: Bei Allan Lichtman gibt es nur Ja oder Nein. Seit 1984 hat der Politikwissenschaftler den Ausgang der Präsidentschaftswahl immer richtig vorhergesagt - auch 2016, als Donald Trump überraschend gegen Hillary Clinton gewann.
Allan Lichtman, American University, Washington, D.C.
"Ich bin kein boshafter Mensch, aber es war schon eine Freude, 2016 zu beobachten, wie sich die Experten verrenkten, warum etwas passiert war, das sie niemals für möglich gehalten haben."
Ronald Reagan 1984, George Bush, jeweils zweimal Bill Clinton, George W. Bush und Obama. Und immer lag Lichtman richtig. Er stützt sich bei seiner Prognose auf 13 Schlüsselfaktoren, wie etwa wirtschaftliche Entwicklung oder soziale Spannungen.
Allan Lichtman, American University, Washington, D.C.
"Dabei geht es um die grundlegenden Dinge, die amerikanische Präsidentschaftswahlen beeinflussen. Nicht die Umfrage, nicht die Expertenmeinungen, nicht die Reden und Debatten, die Werbung, das Fundraising oder die schmutzigen Tricks im Wahlkampf. Diese Oberflächlichkeiten spielen keine Rolle. (…) Bei mir gibt es keine Wahrscheinlichkeiten. Wenn ich falsch liege, wird das sehr weh tun. Aber das kann ich ab. Trotzdem bin ich immer wieder aufgeregt."
Auch diesmal hat sich Lichtman eindeutig festgelegt. Mehrere Faktoren haben diesmal allerdings seinen Blick in die Zukunft getrübt.
Allan Lichtman, American University, Washington, D.C.
"Die Wählerschaft der Republikaner, das sind weiße Typen wie ich. Davon kannst du nicht mehr züchten. Leider leben wir nicht 150 Jahre. Deshalb versuchen sie, die Wählerschaft der Demokraten vom Wählen abzuhalten - junge Leute und Minderheiten. Das macht mir Sorgen. Das Zweite ist die Einmischung Russlands. Sie sind wieder da. Sie haben in den vergangenen vier Jahren viel gelernt. Sie könnten sogar versuchen, in unsere technischen Systeme für die Stimmabgabe und Wählerregistrierung einzudringen. Donald Trump begrüßt die Einflussnahme erneut und nutzt sie für sich. Das sind offenkundig viel größere Bedrohungen für unsere Demokratie als für meine Vorhersage. Aber sie könnten eben auch eine Vorhersage verfälschen. Ich bleibe aber bei meiner Prognose, ich warne nur."
Wer bis zur Präsidentschaftswahl warten will, der muss jetzt abschalten – für alle anderen: So wird das Rennen zwischen Donald und Joe Biden ausgehen – zumindest, wenn es nach Allan Lichtman geht:
Allan Lichtman, American University, Washington, D.C.
"Donald Trump wird der erste amtierende Präsident seit George H. W. Bush 1992 sein, der nicht wiedergewählt wird. Wie nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten erleidet die Partei, die das Weiße Haus kontrolliert, einen derart plötzlichen und dramatischen Stimmungsumschwung. Innerhalb einiger weniger Monate. Das hat es noch nie gegeben."