Sieg im Schlüsselstaat Warum Trump Florida gewann

Florida als Vorentscheidung? Jubelnde Exilkubaner in Miami
Foto: MARCO BELLO / REUTERSLaura Vianello stemmt sich auf dem Gehweg vor dem Restaurant Versailles in den Wind. Sie trägt eine dunkle Brille und ein Goldkreuz um den Hals und schwingt eine riesige Flagge mit Donald Trumps Konterfei.
"Trump wird Amerika wieder großartig machen", ruft Vianello, 74, den hupend vorbeifahrenden Autos zu. "Uns ging es so gut, bevor China das Coronavirus auf uns losließ, und es wird uns bald wieder gut gehen."
Das Versailles in Little Havana, dem Kubanerviertel von Miami, ist seit fast 50 Jahren der Treffpunkt der Exilanten, wenn sie feiern, trauern oder bei einem Cafecito über Politik plaudern wollen. An der Calle Ocho, wie die Eighth Street hier heißt, bejubelten sie Fidel Castros Tod und die Basketballsiege der Miami Heat.
Und hier bejubeln sie nun auch Donald Trump. Dutzende sind am Wahlabend gekommen, sie rufen und singen, spielen ohrenbetäubende Salsamusik. Denn sie hoffen – und wissen schließlich, als es weit nach Mitternacht ist, dass Trump in Florida erneut gewonnen hat. Vor allem dank ihrer Hilfe.

Bis zur letzten Stimme: Wahllokal in St. Petersburg, Florida
Foto: Scott Keeler / imago images/ZUMA WireFlorida, Zünglein an der Waage, Mutter aller sogenannten Swing States: Kopf an Kopf hatten Trump und Joe Biden hier in den Umfragen zuletzt gelegen. Das enge Rennen in dem Südstaat hatte den Demokraten Hoffnung auf ein rasches Ende dieser Wahlnacht gegeben.
Doch dann war das Ergebnis erstaunlich eindeutig.
Trump sicherte relativ früh am Abend und mit klarem Vorsprung jene 29 Stimmen im Wahlleutegremium, ohne die er nicht Präsident bleiben kann. Auch dadurch könnte es nun noch lange dauern, bis ein landesweites Ergebnis feststeht. Es kommt jetzt doch alles wieder auf den Norden und den Mittleren Westen an, wo noch weit bis in die nächsten Tage hinein ausgezählt werden wird.
Dabei waren die Demokraten in Florida so optimistisch gewesen. Warum lagen sie so daneben, was lief schief im Sunshine State? Ein Grund dafür ist in Little Havana zu finden.
Hier kochen die politischen Gemüter immer schnell hoch, vielleicht eine Temperamentsfrage. Die älteste Generation der Exilkubaner, jene also, die noch auf der Karibikinsel geboren wurden, neigen traditionell den Republikanern zu, voller Wut und Trauer über das unvergessene Trauma des Kommunismus, dem sie einst entflohen.

"Tschüss, Don": Verfrühte Demokraten-Freude in Miami
Foto: MARCO BELLO / REUTERSWie Laura Vianello. Sie kam 1960 in die USA, 14 Jahre alt war sie damals. Ein Jahr später wurde ihr Onkel bei der missglückten US-Invasion in der Schweinebucht mit seinem Kampfjet abgeschossen. "Kapitän Raul Vianello", so nennt sie ihn immer noch – und beginnt zu weinen, als sie von seinem Schicksal erzählt. "Sein Fallschirm öffnete sich nicht", sagt sie.
Vianello macht den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy für den Tod ihres Onkels verantwortlich – und nimmt die Demokraten, denen Kennedy angehörte, bis heute in Parteihaft. "Mein ganzes Leben lang musste ich mir Rauls Leidensgeschichte anhören! Und sie sind schuld!"
Die jüngeren, in den USA geborenen Cuban Americans dagegen haben ein entspannteres Verhältnis zu Castros Regime, das sie oft nur noch aus Familienerzählungen kennen. Viele von ihnen sind liberaler eingestellt als ihre Eltern.
Leider verpassten die Demokraten diesen demografischen Vorteil, indem sie die Exilkubaner als Wählerblock viel zu lange vernachlässigten. Die Stimmen der Exilkubaner nahmen sie als selbstverständlich hin, das hat sich nun gerächt.

House of Cards: Stimmenauszählung in Palm Beach
Foto: JOE SKIPPER / REUTERS"Ihr klopft nur alle vier Jahre an, wenn ihr mich braucht", zitiert Cedric McMinn, Vizechef des Biden-Wahlteams in Florida, einen verärgerten Latino-Wähler. "Wo seid ihr den Rest der Zeit über?" Offenbar nicht da. Ein verhängnisvoller strategischer Fehler, den auch Ex-Präsident Barack Obama nicht mehr beheben konnte, als er am Samstag noch einmal nach Miami kam.
Ersten Analysen zufolge konnte Biden zwar bei Senioren und Weißen zulegen, zwei anderen wichtigen Wählergruppen in Florida. Aber nicht genug, um Trumps hart erarbeiteten Vorsprung bei Latinos und Afroamerikanern aufzufangen. Das schlug sich nun mit einem signifikanten Wählerstimmen-Verlust im großstädtischen Bezirk Miami-Dade nieder, wo der Präsident seinem Rivalen wichtige Prozentpunkte abrang und Biden daher hinter dem Ergebnis von Hillary Clinton von 2016 zurückblieb.
Trump hatte die Latinos demonstrativ umgarnt, unter anderem mit zahlreichen Besuchen, Gesprächsrunden und spanischsprachigen TV-Werbespots. In denen brandmarkte er Biden als Sozialisten, der aus den USA ein neues Kuba, Venezuela oder Nicaragua machen würde. So absurd das sein mag, bei manchen blieb davon wohl etwas hängen.

Trumps beste Freunde: Exilkubaner in Little Havana
Foto: MARCO BELLO / REUTERS"Verstehen die Leute nicht, dass Trump derjenige ist, der einem Diktator wie Castro am ähnlichsten ist?, fragt die Demokratin Annette Collazo entgeistert am späten Wahlabend. Die frühere Lehrerin, deren Eltern aus Kuba stammten, kandidierte für das Landesparlament von Florida. Ihr Wahlkreis Hialeah hat den höchsten Anteil an Exilkubanern in den gesamten USA. Oft, so berichtet Collazo, schlug man ihr bei ihren Rundgängen die Tür vor der Nase zu.
Sie verlor die Wahl mit 40 zu 60 Prozent – gegen einen republikanischen Exilantensohn.
Die Analysen werden sicher noch andere, filigranere Wählerbewegungen zutage bringen, vor allem im Südwesten, Norden und der Mitte Floridas. Fest steht aber: Joe Biden hat zwar auch ohne den Sunshine State noch eine Chance – doch für Trump ist dieser Sieg das beste Vorergebnis, das er sich diese Nacht erwarten konnte.
Die für den Präsidenten jubelnde Menschenmenge in Little Havana, vor dem Versailles, hatte sich am späten Abend bereits verdoppelt.