Spätes Wahlergebnis Trump prophezeit "chaotisches Durcheinander" in den USA

US-Präsident Trump vor Anhängern in Montoursville, Pennsylvania
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US-Präsident Donald Trump hat seine Anhänger darauf eingestimmt, dass sie möglicherweise mehrere Wochen auf ein Ergebnis der Wahl am kommenden Dienstag warten müssen. "Die ganze Welt und unser Land werden warten und warten und warten, um zu erfahren, wer gewonnen hat, ihr werdet wochenlang warten", sagte Trump am Samstag bei einem Auftritt in Newton im US-Bundesstaat Pennsylvania. "Der 3. November wird kommen und gehen und wir werden es nicht wissen. Und ihr werdet chaotisches Durcheinander in unserem Land haben."
Trump bezog diese Warnung nicht etwa auf Unruhen in den Straßen, sondern auf die Auszählung von Briefwahlstimmen. Trumps Republikaner hatten gerichtlich die Verlängerung einer Frist bei der Auszählung von Wahlunterlagen in Pennsylvania verhindern wollen, waren mit dem Versuch aber gescheitert. Briefwahlunterlagen mit fristgerechtem Poststempel müssen somit noch gezählt werden, auch wenn sie drei Tage nach dem Wahltermin am 3. November eintreffen. Bei einem knappen Rennen zwischen Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden könnte es auf das Ergebnis in Pennsylvania ankommen - und weder die Republikaner noch die Demokraten können in dem "Swing State" fest mit einer Mehrheit rechnen.
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Trump warf dem Obersten Gericht in Washington vor, mit Blick auf die Briefwahlfrist eine "schreckliche, politische, furchtbare Entscheidung" getroffen zu haben. Er warnte, es könnten "sehr schlimme Dinge" und etwas "Gefährliches" passieren, während Stimmzettel ausgezählt würden. Genauere Erläuterungen dazu und Belege für seine Behauptung blieb Trump schuldig.
Donald Trump
Der Präsident macht seit Monaten Stimmung gegen die Briefwahl, die erfahrungsgemäß mehr demokratische Wähler als Anhänger der Republikaner zur Stimmabgabe nutzen. Trump behauptet, es gebe massives Betrugspotenzial bei der Briefwahl. Belege dafür kann er nicht vorweisen. Zudem pocht er darauf, dass noch in der Wahlnacht feststehen müsse, wer gewonnen habe. Bei den meisten vergangenen Wahlen stellte sich der Sieger tatsächlich noch in der Wahlnacht heraus. Dieses Jahr rechnen Verantwortliche in mehreren Bundesstaaten aber damit, dass es zu Verzögerungen kommen könnte, weil wegen der Corona-Pandemie deutlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen.
Trump und Biden gehen in die Schlussoffensive
In den letzten Zügen des US-Wahlkampfs sind Präsident Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden in die Schlussoffensive gegangen – gegenseitige Angriffe inklusive. Biden versuchte, vor der Abstimmung am Dienstag mit dem Obama-Faktor zu punkten: Er trat am Samstag zweimal mit dem früheren Präsidenten im besonders umkämpften Bundesstaat Michigan auf. Trump sprach viermal vor Anhängern in Pennsylvania, einem anderen wichtigen "Swing State". Am Sonntag will Biden dort auftreten, Trump wird in Iowa, North Carolina und Michigan erwartet.
Der republikanische Amtsinhaber liegt in Umfragen sowohl landesweit als auch in mehreren potenziell entscheidenden Bundesstaaten hinter Biden. Seine Wiederwahl ist dennoch keineswegs ausgeschlossen, zumal aufgrund des Wahlsystems auch der Kandidat mit den meisten Stimmen unterliegen kann. Beide Seiten haben die diesjährige Abstimmung zur Schicksalswahl erklärt und warnen vor dem jeweiligen Gegner als künftigen Präsidenten. Dutzende Millionen Amerikaner haben bereits gewählt und ihre Stimme per Brief oder im Wahllokal abgegeben.
Joe Biden
Biden versuchte am Samstag in Flint in Michigan, den Verdruss vieler Landsleute über die vergangenen vier Jahre mit Trump für sich zu nutzen. "Wir sind fertig mit dem Chaos, den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen, der Weigerung, jegliche Verantwortung zu übernehmen." Amerikaner wegen ihres Geschlechts, ihrer Ethnie oder Herkunft gegeneinander aufzubringen sei falsch, sagte Biden bei seinem anderen Auftritt in Detroit. "Jeder weiß, wer Donald Trump ist, lasst uns zeigen, wer wir sind." Er wiederholte sein Versprechen, im Falle seiner Wahl allen Amerikaner zu dienen. "Um Gottes willen, bitte wählt!", appellierte Biden fast flehend. "Es ist Zeit aufzustehen, uns unsere Demokratie zurückzuholen."
Am Dienstag gehe es um alles, sagte auch Ex-Präsident Barack Obama, dessen Stellvertreter Biden bis 2017 gewesen war. "Ihr könnt Wandel wählen." Mit Biden und seiner Vizekandidatin Kamala Harris werde es nicht so anstrengend werden wie mit Trump, versprach Obama. Man werde sich nicht mehr so viel streiten müssen. Er lobte Biden für sein Verantwortungsbewusstsein und seine Güte. Biden lägen die Amerikaner wirklich am Herzen.
Michigan gehört zu den strategisch immens wichtigen "Swing States", bei denen nicht schon im Vorfeld feststeht, ob aus Tradition der Kandidat der Republikaner oder der Demokraten siegen wird. Auch Pennsylvania ist so ein "Battleground State". Genau wie in Michigan konnte sich Trump dort 2016 ganz knapp durchsetzen - dieses Jahr sehen Umfragen Biden knapp in Führung.