Erstes Gespräch seit Kriegsbeginn Außenminister von Russland und den USA telefonieren miteinander

US-Außenminister Antony Blinken am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington
Foto: Jim Lo Scalzo / EPAUS-Außenminister Antony Blinken hat erstmals seit Beginn des Kriegs in der Ukraine mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow gesprochen. Es habe am Freitagmorgen (Ortszeit) ein »offenes und direktes Gespräch« über ein Angebot zur Freilassung der in Russland inhaftierten US-Basketballerin Brittney Griner und des amerikanischen Staatsbürgers Paul Whelan gegeben, sagte Blinken in Washington. »Ich habe den Kreml gedrängt, den substanziellen Vorschlag zu akzeptieren, den wir (...) gemacht haben.« Das russische Außenministerium bestätigte das Telefonat der beiden Chefdiplomaten.
Die US-Regierung hatte am Mittwoch bekannt gegeben, Russland ein Angebot zur Freilassung der beiden US-Bürger gemacht zu haben. Details zu dem Vorschlag gab sie aber nicht bekannt. Blinken hatte auch gesagt, in diesem Zusammenhang mit Lawrow sprechen zu wollen. Er habe ein entsprechendes Angebot bereits vor Wochen auf den Tisch gelegt, um die Freilassung Griners und Whelans zu erreichen.
Russland verlangt Auslieferung von früherem Sowjetoffizier
Die Entscheidung zu dem Angebot sei nicht leicht gefallen, hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, betont. Medien hatten zuvor berichtet, dass ein Gefangenenaustausch mit dem in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Viktor Bout Teil des Angebots sei. Moskau fordert seit Jahren die Auslieferung des früheren Sowjetoffiziers, der Regime und Rebellen in zahlreichen Ländern illegal mit Waffen ausgerüstet haben soll. Bout war als »Händler des Todes« berüchtigt.
Lawrow hatte seine Bereitschaft erklärt, mit seinem US-Kollegen Blinken zu einem Gefangenenaustausch und zur Wiederaufnahme der ukrainischen Getreideexporte zu sprechen. Blinken betonte nun auch, Lawrow deutlich gesagt zu haben, dass die USA russische Pläne, weiteres Territorium der Ukraine zu annektieren, nicht akzeptieren würden. »Die Welt wird Annexionen nicht anerkennen. Wir werden Russland weitere erhebliche Kosten auferlegen, wenn es mit seinen Plänen fortfährt«, sagte Blinken.
Griner verteidigte sich vor Gericht
Die US-Basketballerin Brittney Griner war am 17. Februar auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo wegen eines Drogendelikts festgenommen worden. Bei der Kontrolle ihres Gepäcks im Februar soll sie sogenannte Vape-Kartuschen und eine geringe Menge Haschisch-Öl bei sich gehabt haben. Griner hat ihre Schuld eingestanden, verteidigte sich am Mittwoch aber vor Gericht: Sie habe medizinisches Marihuana in Absprache mit ihrem Arzt als schmerzstillendes Mittel verwendet und nicht die Absicht gehabt, »irgendein Gesetz der Russischen Föderation zu verletzen«.
Die US-Regierung kritisiert, dass Griner zu Unrecht festgehalten werde. Den Vorwurf, der Prozess gegen Griner sei politisch motiviert, weist Moskau zurück. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern war schon vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zerrüttet, seither hat es sich nochmals drastisch verschlechtert.
Paul Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, war im Dezember 2018 in Russland verhaftet und der Spionage beschuldigt worden. Er soll in Russland geheime Informationen auf einem Datenträger entgegengenommen haben. Im Juni 2020 wurde er zu einer 16-jährigen Haftstrafe mit der Möglichkeit eines Aufenthalts in einem Arbeitslager verurteilt. Whelan kritisierte das Verfahren als politische Inszenierung.
Bereits im April hatten die USA und Russland inmitten des Ukrainekriegs überraschend Gefangene ausgetauscht. Am Flughafen der türkischen Hauptstadt Ankara war der Russe Konstantin Jaroschenko gegen den US-Amerikaner Trevor Reed ausgetauscht worden. Angesichts der verhärteten Fronten zwischen Washington und Moskau kam die Entwicklung damals besonders unerwartet.
Moskau regt Normalisierung der Beziehungen an
Moskau äußerte sich ebenfalls am Freitagabend zu dem Telefonat der Außenminister. Lawrow habe sich für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington ausgesprochen. Was den möglichen Austausch von russischen und US-amerikanischen Gefangenen angehe, sei der Übergang zu einem professionellen Dialog der »ruhigen Diplomatie« ohne Spekulationen vorgeschlagen worden, teilte das Außenministerium in Moskau mit.
Lawrow kritisierte bei dem Gespräch nach Angaben des Ministeriums, dass Russland durch die »illegalen« Sanktionen des Westens daran gehindert werde, sein Getreide und seine Düngemittel zu exportieren. Der russische Chefdiplomat informierte Blinken demnach über den unter Vermittlung der Vereinten Nationen vereinbarten Korndeal über die Ausfuhren von Millionen Tonnen blockierten Getreides aus der Ukraine.
Lawrow habe Blinken auch über den Gang der »militärischen Spezial-Operation« in der Ukraine unterrichtet. Der russische Chefdiplomat habe betont, dass alle Ziele in dem Land erreicht würden. Die USA unterstützen die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg mit schweren Waffen. Nach der Mitteilung des russischen Außenministeriums kritisierte Lawrow bei dem Gespräch, dass diese Waffen aus den USA und von anderen Nato-Staaten gegen die friedliche Bevölkerung gerichtet würden. Dadurch werde der Konflikt nur in die Länge gezogen und die Zahl der Opfer erhöht.