Sie ist zwischen fünfeinhalb und neun Meter hoch, 737 Kilometer lang und war eines der Lieblingsprojekte von Ex-Präsident Trump: »The Wall« - die Mauer an der Grenze zu Mexiko. Lückenlos ist die US-Abschottungsanlage allerdings nicht, wie beispielsweise hier in New Mexico westlich von El Paso:
Marc Pitzke, DER SPIEGEL
»Hinter mir ist die Mauer. Das ist noch eine ältere Mauer, die unter Obama gebaut wurde. Und wie man sieht, kann man sehen, dass sie hier plötzlich aufhört. Und in die andere Richtung geht sie über den Berg, den Hügel dahinter weiter, und da gibt es dann ein neues Stück von Trump. Hier vorne an dem Mauerübergang kam gerade ein Hund rüber, ein mexikanischer Hund, und ist jetzt wieder nach Mexiko gewandert. Und hier sind andauernd Kinder, die ihre Hände durch die Mauer stecken und einen nach Geld fragen.«
Die Lage an der Grenze ist für Flüchtlinge aus Lateinamerika nach wie vor dramatisch. Auch unter Trumps Nachfolger hat sich für sie kaum etwas verbessert. Dabei hatte Joe Biden zunächst große Hoffnungen geweckt:
Joe Biden,US-Präsident
»Als erstes werden wir heute daran arbeiten, die moralische nationale Schande der Vorgängeradministration rückgängig zu machen. Diese hat Kinder buchstäblich aus den Armen ihrer Familien, Mütter und Väter gerissen. Und Sie hatte überhaupt keinen Plan, die noch unter Obhut stehenden Kinder mit ihren Eltern wieder zu vereinen.«
Zehntausende Familien und unbegleitete Minderjährige sind in den vergangenen Wochen über die US-Grenze gelangt – so viele wie seit Jahren nicht mehr. Sie fliehen vor Armut, Kriminalität und Naturkatastrophen. Für viele endet die gefährliche Reise am US-Ufer des Rio Grande.
Marc Pitzke, DER SPIEGEL
»Ich bin jetzt eine Woche unterwegs gewesen, hauptsächlich in Texas am Rio Grande. Der Großteil der Asylbewerber, die rüberkommen, der Migranten, die ergeben sich freiwillig der Grenzpolizei hier. Wir haben das erlebt, einmal nachts am Ufer des Rio Grande kamen sie in Booten rüber und haben sich dann sofort den Cops übergeben.
Die werden dort aufgeschrieben mit ihren Namen. Und dann werden sie in Busse gesteckt, zum Flughafen gefahren und die meisten von ihnen dann geflogen in eine ganz andere Grenzstadt in Amerika. Jetzt zum Beispiel San Diego, hier El Paso, das ist Tausend Meilen entfernt von wo sie rübergekommen sind, und dann wieder nach Mexiko geschickt, also deportiert in eine Gegend, wo sie sich überhaupt nicht auskennen. Wo sie entführt werden, wo sie von Gangs und den Kartellen bedroht werden.«
Unter Joe Biden ist vor allem eines neu: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dürfen in den Vereinigten Staaten bleiben. Familien sollen nicht mehr getrennt werden.
Marc Pitzke, DER SPIEGEL
»Die Leute, die es schaffen, ungefähr 10-12 Prozent, werden hier gehalten, wenn sie zum Beispiel Babys dabeihaben. Wir haben eine Familie aus Honduras getroffen, die nachts über die Grenze gekommen ist. Und die saßen am nächsten Tag in so einem Aufnahmelager und hatten ein zwei Monate altes Baby dabei, und die durften bleiben. Die wurden dann am nächsten Tag zu ihren Verwandten nach Utah geschickt.«
Am vergangenen Wochenende protestierten zahlreiche Migranten in Washington D.C. gegen die Politik des amtierenden Präsidenten. Biden hatte noch Mitte April an der von Trump festgelegten Aufnahmebegrenzung von maximal 15.000 Flüchtlingen pro Haushaltsjahr festgehalten. Nun hat er sie auf die zuvor angekündigte Zahl von 62.500 erhöht - nach Kritik aus der eigenen Partei.
Guerline Jozef, Aktivistin
»Ein Mitglied unserer Gemeinschaft ruft mich an und sagt: Ich weiß nicht, ob ich morgen hier sein werde. Ich habe Angst zu heiraten und Kinder zu bekommen, weil ich nicht von ihnen getrennt werden will. Das ist inakzeptabel. Heute marschieren wir weiter mit Leidenschaft. Wir verlangen von Präsident Biden und Vizepräsidentin Harris, dem gesamten gewählten Kongress und Senat, der ganzen Regierung: Wir sind hier, um zu bleiben. Hier ist unser Zuhause. Und wir werden in Würde dafür arbeiten.«
Joe Biden hat seine Vizepräsidentin Kamala Harris mit der Lösung der Grenzkrise beauftragt. Sie will jetzt in einer Videokonferenz mit Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador erörtern, wie die angespannte Lage entschärft werden kann.