Venezuelas Opposition in der Krise "Gewonnen hat die Hoffnungslosigkeit"

Hoffnungsträger in der Sackgasse: Juan Guaidó hat sich nach einem gescheiterten Umsturzversuch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen
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Man hört nicht mehr viel von Juan Guaidó, seit die "Operación Gedéon" Anfang des Monats krachend gescheitert ist. Der selbsternannte Gegenpräsident hat sich weggeduckt, sitzt nach Aussagen von Weggefährten in der Hauptstadt Caracas und versucht das dilettantische Kommandounternehmen zum Sturz von Staatschef Nicolás Maduro vergessen zu machen.
Zur Erinnerung: Am ersten Mai-Wochenende hatten venezolanische Sicherheitskräfte an zwei Stellen der Küste nahe Caracas rund 50 Söldner aufgegriffen, darunter zwei Ex-US-Elitesoldaten. Ihr Plan war es offenbar, den chavistischen Machthaber festzunehmen und in die USA zu entführen. Die Aktion unter der Führung der US-Sicherheitsfirma Silvercorp scheiterte auch, weil der venezolanische Geheimdienst die Truppe infiltriert hatte. Mindestens acht Menschen kamen bei der Aktion ums Leben.
Guaidó distanziert sich nur halbherzig
Bisher hat sich der Oppositionschef Juan Guaidó nur halbherzig von dem Vorwurf der Regierung distanziert, er sei Drahtzieher des Umsturzversuchs gewesen. Hin und wieder verschickt er Erklärungen, etwa zur Benzinkrise im Land oder zur Zukunft der US-Ölfirma Citgo, Tochterunternehmen des venezolanischen Staatskonzerns PDVSA. "Es ist richtig, sich nach einer solch grandiosen Pleite erst mal aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen", sagt Luis Vicente León, Chef des Umfrageinstituts Dataanálisis.
Luis Vicente León, Meinungsforscher
Einer der festgesetzten Söldner behauptete, Guaidó habe durchaus Kenntnis von den Plänen gehabt. Zudem existiert ein "Servicevertrag" aus dem vergangenen Jahr zwischen Silvercorp und Vertretern der Parallelregierung, der Guaidós Unterschrift trägt. In dem Dokument heißt es wörtlich, man wolle Maduro "Ergreifen/Festnehmen/Entfernen" und den "anerkannten venezolanischen Präsidenten Juan Guaidó" installieren. Der Oppositionschef sagt, er habe nichts mit der gescheiterten Operation zu tun. Doch windet er sich um eine klare Aussage zu seiner Unterschrift unter dem Silvercorp-Vertrag.
"Selbst wenn er von den Plänen tatsächlich nichts wusste oder nicht dahinter stand", sagt Meinungsforscher León. "Sein Ansehen hat stark gelitten." Die Venezolaner hätten mehr denn je die Hoffnung verloren, dass der 36-Jährige den versprochenen Regierungswechsel noch bringen kann. Auch der Oppositionsabgeordnete Américo de Grazia sagt: "Diese Aktion hat allen geschadet - der Opposition, der Nationalversammlung und vor allem Guaidó." Der ist jetzt so stark angeschlagen wie nie zuvor, seit er Anfang 2019 auf der politischen Bühne des südamerikanischen Krisenstaates auftauchte.
Die Opposition braucht einen Plan
Daher braucht die Opposition dringend einen neuen Plan, wie Maduro abzulösen ist. Wichtige Parteien im Anti-Maduro-Bündnis wie "Primero Justicia" sind die riskanten Alleingänge Guaidós leid. Noch in leidvoller Erinnerung ist der missglückte Putschversuch vom 30. April 2019, als Guaidó versuchte, die Armee auf seine Seite zu ziehen. "Primero Justicia" forderte den Oppositionschef jetzt auf, sich von "illegalen Gruppen" zu distanzieren und künftig Entscheidungen in einer gemeinsamen Führung zu besprechen.
Am Fall der "Operation Gideon" zeigt sich das Dilemma der venezolanischen Opposition: Sie ist zutiefst uneins. Es gibt diejenigen, die punktuell strategische Allianzen mit dem Regime für hilfreich halten. Andere wie Américo de Grazia von der Partei "CausaR" oder María Corina Machado ("Vente Venezuela") setzen hingegen auf "eine glaubhafte Gewaltandrohung, damit Maduro geht". Der frühere oppositionelle Präsidentschaftskandidat Henri Falcón hält diese Option aber für illusorisch: "Die machen keine Politik, sondern sie klammern sich an die Gewalt und hoffen, dass die USA das Problem lösen".
Bei aller Kritik an Guaidó - so gibt es dennoch keine Figur in der Opposition, die ihn ersetzen könnte. Er bliebe der "unbestrittene Führer", räumt De Grazia ein. "Zudem hat er institutionellen Rückhalt in seiner Funktion als Parlamentspräsident", pflichtet der Meinungsforscher León bei. "Aber er muss jetzt zeigen, dass er Lösungen aufzeigen kann, die den Menschen nutzen, sonst schwindet seine Autorität noch mehr". Guaidó müsse einen Verhandlungskanal mit der Regierung öffnen, um Hilfen für die leidende Bevölkerung zu ermöglichen", fordert León. Denn Maduros Gegner könnten zwar Mittel im Ausland organisieren, aber im Land nicht verteilen.
Am Dienstag forderte Guaidó in einem Beitrag für die spanische Tageszeitung "El País" erneut die unmittelbare Ablösung Maduros. Ohne die könne es keine Lösung für sein Land geben. Der Machthaber habe Venezuela in eine "Hölle ohne Nahrungsmittel, Medikamente und Benzin" verwandelt. Guaidó selbst wolle dann eine "Nationale Notstandsregierung" zur Lösung der humanitären Krise bilden.
Das jedoch scheint nach dieser Runde des Machtkampfs eine vollkommen unrealistische Forderung zu sein: Machthaber Nicolás Maduro hat sich als starker Führer gezeigt und die Hoffnungen der Opposition auf einen raschen Machtwechsel pulverisiert. "Populärer ist er dadurch nicht geworden", sagt Luis Vicente León. "Gewonnen hat die Hoffnungslosigkeit", weil die Menschen nun kaum noch an den Wandel glauben. Venezuela stünden noch schwerere Zeiten bevor. "Mehr Sanktionen, eventuell mehr Repression, auf jeden Fall mehr Krise."