Wegen Korruptionsermittlungen Orbán fordert Auflösung des Europäischen Parlaments

Der Korruptionsskandal in Brüssel gibt Viktor Orbán offenbar Auftrieb. In Budapest wetterte er jetzt gegen das EU-Parlament – mit einer Trump-Formulierung.
Viktor Orbán: Ansehen »hätte nicht geringer sein können«

Viktor Orbán: Ansehen »hätte nicht geringer sein können«

Foto: MARTON MONUS / REUTERS

Das Verhältnis zwischen der EU und Ungarn ist angespannt, nun erschüttern Korruptionsvorwürfe  gegen Mitglieder des EU-Parlaments die europäische Politik – und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán begreift das als eine willkommene Gelegenheit, um drastische Veränderungen in der Europäischen Union zu fordern.

Bei einer Pressekonferenz in Budapest sagte Orbán, der Korruptionsskandal um die ehemalige Vizepräsidentin des Parlaments Eva Kaili habe die Glaubwürdigkeit der Institution infrage gestellt. »Die Ungarn würden es begrüßen, wenn das Europäische Parlament in seiner jetzigen Form aufgelöst würde«, sagte Orbán. »Inwieweit das Ansehen des Europäischen Parlaments in Ungarn beschädigt wurde, ist leicht zu beantworten: gar nicht, denn es hätte nicht geringer sein können.«

Das Parlament hatte Ungarn im September etwa abgesprochen, noch eine echte Demokratie zu sein. »Unter Sachverständigen« herrsche zunehmend Einigkeit darüber, »dass Ungarn keine Demokratie mehr ist«, heißt es in einer von der Volksvertretung verabschiedeten Entschließung. Ungarn sei unter Regierungschef Viktor Orbán »zu einem hybriden System der Wahlautokratie geworden«.

Korruption in Ungarn

Eine große Mehrheit der EU-Staaten verständigte sich dann vor wenigen Tagen darauf, für Ungarn vorgesehene Milliardenzahlungen aus dem europäischen Gemeinschaftshaushalt einzufrieren – eine in der EU-Geschichte beispiellose Einigung. Wegen der Sorge, dass EU-Gelder in dem Land wegen unzureichender Maßnahmen gegen Korruption veruntreut werden, sollen bis auf Weiteres 6,3 Milliarden Euro blockiert werden.

Die fast dreistündige Pressekonferenz, auf der sich Orbán nun äußerte, ist eine der wenigen Gelegenheiten im Jahr, bei denen sich Orbán Fragen internationaler Medien und kritischer ungarischer Zeitungen stellt. Es sei nun an der Zeit, in Brüssel »den Sumpf trockenzulegen«, sagte Orbán mit Blick auf den Korruptionsskandal. Dieselbe Formulierung hatte der ehemalige US-Präsident Donald Trump in seinem Wahlkampf 2016 genutzt, um die damalige Regierung zu kritisieren.

Orbán äußerte sich auch zu möglichen weiteren EU-Sanktionen gegen Moskau wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Er behauptete, die Sanktionen seien unwirksam und hätten den europäischen Volkswirtschaften mehr geschadet als Russland. »Wenn es nach uns ginge, gäbe es keine Sanktionspolitik«, sagte Orbán. Zusätzliche Sanktionspakete gegen Russland wolle er in Zukunft nicht unterstützen. Er würde sich der Verabschiedung solcher Sanktionen durch die EU aber auch nicht in den Weg stellen.

Der fehlende Finanzstrom aus Brüssel hat die ohnehin bestehenden ökonomischen Probleme Ungarns verschärft. Ungarns Wirtschaft, zuvor eine der dynamischsten des Kontinents, ist unter dem Druck der Russlandsanktionen eingebrochen. Die milliardenschweren Hilfen, mit denen Orbán die Öl- und Gaspreise drosselt, belasten die Staatskasse.

ptz/AP
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