Telefonate mit Fake-Klitschko Betrogene Bürgermeister ringen um Erklärungen

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und der täuschend echte, aber falsche Vitali Klitschko
Foto: Senatskanzlei Berlin / dpaDer Mann sah aus wie Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, er bewegte sich normal und sprach wie er – und so fielen die Bürgermeister von Berlin, Wien und Madrid auf einen Hochstapler herein. Ob es ein Mensch war oder ein Computerbild, ein »Deep Fake«, ist noch unklar. Fest steht, dass zumindest Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hätte stutzig werden müssen, weil der falsche Klitschko mit ihr Russisch sprechen wollte – immerhin spricht er gut Deutsch und Englisch. Ebenfalls klar ist, dass es ein ziemliches Debakel ist.
Die Stadtverwaltungen von Berlin und Wien suchen nun fieberhaft nach Erklärungen, wie es möglich war, dass ein solches Gespräch stattfinden konnte, ohne dass Backgroundchecks oder Rückfragen enthüllen konnten, dass es sich um einen Fake handelte. Oder fanden sie schlicht nicht statt?
In Berlin schöpfte niemand Verdacht
Aus der Senatskanzlei in Berlin erfuhr der SPIEGEL, dass die Anfrage für das Gespräch mit Klitschko am 2. Juni einging. Laut E-Mail sollte es um verschiedene Themen gehen: die künftige Zusammenarbeit der beiden Städte in den Bereichen Wirtschaft und Kultur, humanitäre Projekte in der Ukraine und die aktuelle Lage im Land. Das schien den Verantwortlichen in Berlin so schlüssig, dass sie keinerlei Verdacht schöpften und sogar zu anderen Themen Rückfragen stellten, etwa zu einem Hilfstransport nach Kiew.
Dass die E-Mail-Adresse keine institutionelle E-Mail-Signatur hatte oder von einer offiziellen Domain kam, machte nicht stutzig: Dies sei insbesondere seit Kriegsbeginn nicht ungewöhnlich, man kommuniziere schon länger auf diese Weise mit Kolleginnen und Kollegen in der Senatskanzlei, auch für den Fall, dass es Cyberattacken auf die Netze gebe.
Im internationalen Büro Kiew war nach Angaben aus der Senatskanzlei bekannt, dass das Gespräch zwischen den Bürgermeistern stattfindet. Die ukrainische Botschaft hatte ebenfalls Kenntnis von dem geplanten Gespräch, da es auch beim Treffen mit dem Botschafter und dem Sondergesandten der Ukraine am 7. Juni in der Senatskanzlei kurz Thema war. Das alles mit den offiziellen Stellen in Kiew abzugleichen, auf die Idee kam aber keiner der Beteiligten.
Eine E-Mail von »mayor.kyiv@ukr.net«
Die Anfrage nach Wien kam offenbar ebenfalls am 2. Juni – wie der Chefredakteur des Wiener Stadtmagazins »Falter« Florian Klenk auf Twitter schreibt . Ein »Dmytro Z.«, der sich als »Chief of Staff« vorstellt, fragt im Namen von »Mayor Klitchko« nach einem Videotermin mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Die E-Mail-Adresse: »mayor.kyiv@ukr.net«.
Angeblich wurde umgehend die österreichische Botschaft über die Anfrage und den anberaumten Termin informiert. Das läuft einer Stellungnahme des österreichischen Außenministeriums entgegen, die Klenk ebenfalls zitiert , nach der weder Ministerium noch Botschaft eingebunden gewesen seien.
Am frühen Abend bestätigte eine Sprecherin der Berliner Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey dem SPIEGEL, dass die Anfrage an Giffey von der gleichen Adresse kam wie die an den Wiener Bürgermeister. Es ist auch die gleiche, von der Madrids Bürgermeister kontaktiert wurde, wie die »Bild«-Zeitung vermeldet .
Wer steckt dahinter? Das ist noch offen
Dass die Bürgermeister von mindestens drei europäischen Hauptstädten im Vorfeld so getäuscht werden konnten, wirft kein gutes Licht auf sie. Hinzu kommt, dass sie während der Videotelefonate erst aufgrund inhaltlicher Gründe stutzig wurden, nicht weil die Darstellung von Klitschko unglaubwürdig gewesen wäre – ein Zeichen dafür, wie weit fortgeschritten die Technologie ist und was mit Deep Fakes möglich ist. Aber wer steckt dahinter? Es bleiben noch viele Fragen offen.
Anmerkung der Redaktion: Auf dem Foto zu diesem Text war nicht wie angegeben Vitali Klitschko zu sehen, sondern sein Bruder Wladimir. Wir haben das Foto ersetzt.