Streit um Hoheitsgebiete in Ägäis "Wenn das kein Kriegsgrund ist, was denn sonst?"

Der Konflikt in der Ägäis spitzt sich weiter zu. Auf eine Ausdehnung der griechischen Hoheitszone im Ionischen Meer reagiert der türkische Vizepräsident mit einer offenen Drohung.
Streit um Gas und Einfluss: Griechische Militärübung in der Ägäis

Streit um Gas und Einfluss: Griechische Militärübung in der Ägäis

Foto: Uncredited / AP

Im östlichen Mittelmeer steigt die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung. Die Türkei droht Griechenland für den Fall einer Ausdehnung seiner Territorialgewässer in der Ägäis inzwischen offen mit Krieg. "Wenn das kein Kriegsgrund ist, was denn sonst?", sagte Vizepräsident Fuat Oktay der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Ankara werde seine Rechte zur See ungeachtet aller Kosten verteidigen.

Athen kritisierte die türkische Drohung umgehend. Es sei gegen die "internationale politische Kultur", Nachbarn mit Krieg zu drohen.

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte am Mittwoch im Parlament erklärt, Griechenland dehne seine Hoheitszone im Ionischen Meer von sechs auf zwölf Seemeilen aus. In Seegebieten, wo andere Staaten mehr als 24 Seemeilen entfernt seien, könne dies möglicherweise ebenfalls geschehen.

Das Ionische Meer ist Italien zugewandt. Mitsotakis deutete nicht an, die griechische Hoheitszone auch in der Ägäis ausdehnen zu wollen. Dort liegen mehrere griechische Inseln nur wenige Kilometer von der türkischen Küste entfernt. Bislang hatten griechische Regierungen auf eine Ausdehnung der Hoheitsgewässer im Ionischen Meer verzichtet, unter anderem, weil sie dann rechtfertigen müsste, warum das nicht auch in der Ägäis geschehe.

In Athen ist man sich der Brisanz der Frage und der möglichen Konsequenzen bewusst. "Zum aktuellen Zeitpunkt wird Griechenland seine Hoheitsgewässer in der Ägäis auf keinen Fall ausweiten", erfuhr der SPIEGEL aus griechischen Diplomatenkreisen.

Streit um Gas und Einfluss

Im östlichen Mittelmeer wurden in den vergangenen zehn Jahren Gasvorkommen entdeckt. Der Streit zwischen der Türkei und Griechenland spitzt sich seit Wochen zu, unter anderem weil die Türkei ein Erkundungsschiff in das Gebiet geschickt hat. Die Mission wurde jüngst bis Anfang September verlängert.

Die türkische Erdgassuche erfolgt in einem Gebiet, das Griechenland für sich beansprucht. Ankara argumentiert hingegen, dass das Gebiet zum türkischen Festlandsockel gehöre - auch wenn es nahe den griechischen Inseln Rhodos und Kastelorizo liegt.

Das Interesse am Gas ist allerdings nur einer von mehreren Gründen für die Feindseligkeiten. Ohnehin ist der Gaspreis stark gesunken, eine Ausbeutung wäre teuer und möglicherweise unrentabel.

Im Konflikt geht es auch um Einflusssphären und Territorialrechte in einem Gebiet, das seit langer Zeit umstritten ist. In den Neunzigerjahren standen Griechenland und die Türkei wegen eines Streits um zwei unbewohnte Ägäisinseln schon einmal kurz vor einem Krieg. Nun halten die Streitkräfte der Nato-Partner wieder Manöver in der Region ab. An den griechischen Manövern beteiligte sich insbesondere Frankreich, an türkischen Übungen die US-Marine.

Am Freitag erklärte die Türkei, sie habe östlich von Zypern sechs griechische F-16-Kampfflugzeuge abgefangen. Am Samstag kündigte Ankara zudem neue Schießübungen im östlichen Mittelmeer vor der türkischen Südküste an.

Die EU-Außenminister hatten am Freitag Ankara ultimativ zum Dialog mit Griechenland aufgerufen. Andernfalls könne der EU-Sondergipfel am 24. September über weitere Strafmaßnahmen gegen die Türkei diskutieren.

slü/gec/dpa
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