Sie marschieren im Gleichschritt zu patriotischen Klängen. Wir sehen Russlands Militärnachwuchs bei einer großen Parade vor vier Jahren, der Präsident selbst ist zugegen.
Nur zwei Jahre nach der Gründung im Jahr 2016, hatte die sogenannte »Junarmija«, die »Junge Armee«, nach eigenen Angaben bereits 200.000 Mitglieder. Es sind Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren, die zu wahren Patrioten erzogen werden. Heute soll die »Junarmija« bereits eine Million Mitglieder haben. Wie die Rolle der Organisation derzeit zu verstehen ist, fragen wir die finnische Militärexpertin Jonna Alava, die dazu geforscht hat.
Jonna Alava, Militärexpertin Universität Helsinki
»Sie haben angefangen, sehr offen mit der Partei Einiges Russland zusammenzuarbeiten. Es gibt derzeit eine Kampagne, den Soldaten im Krieg Postkarten und Briefe zu schreiben, organisiert von der Partei. Es gibt Treffen mit Abgeordneten der Duma. Die »Junarmija« wird mit in die administrativen Geschäfte einbezogen.«
Heute ist der Instagram-Account der jungen Armee gesperrt, doch auch diese Kanäle wurden noch vor Kurzem für Kriegspropaganda eingesetzt, inklusive aufwendiger Inszenierungen mit dem Symbol Z, das »für den Sieg« steht – und als Zeichen für den russischen Angriff auf die Ukraine gilt.
In den sozialen Netzwerken zeigte die »Junarmija« im März, wie sie evakuierte Kinder aus – wie sie schreiben – »der anerkannten Volksrepublik« Donezk willkommen heißt. »Der Tag war voll heiterer Emotionen, Lächeln, Kinderlachen und guter Laune«, heißt es in der Beschreibung des Videos.
Moskau, 18. März 2022
Die Kinder und Jugendlichen sind Teil der großen Putinschen Inszenierung. Sie waren auch bei den Feierlichkeiten zum achten Jahrestag der Krim-Annexion in Moskau dabei, als der Präsident sich plötzlich vor Menschenmassen feiern ließ. Der Staat lässt sich ihre Propaganda für die junge Armee offenbar einiges kosten.
Jonna Alava, Militärexpertin Universität Helsinki
»Es scheint ein großes Business zu sein. Allein, wenn man sich die aufwendig produzierten Videos anschaut, die ganzen Angebote, die diese Organisation bereitstellt – da werden große Summen bewegt. Der Gründer der berüchtigten Wagner-Söldnergruppe, Jewgeni Prigoschin, soll zum Beispiel für die Kleidung der »Junarmija« zuständig sein. Er macht damit und offenbar auch mit der Versorgung, Business. Und Familienmitglieder von Verteidigungsminister Sergej Schoigu sind mit der Organisation der großen jährlichen Veranstaltungen betreut.«
Uraufführung des »Junarmija-Marsches« zum einjährigen Bestehen der Organisation im Mai 2017. Gründer war Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sein Ziel hatte er so formuliert:
»Um junge Menschen dazu zu bringen, Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, müssen die Bereitschaft und der Wille zum Dienst bereits in der Kindheit und Jugend geweckt werden.«
Was den Kindern geboten wird: Spiele, Sport – und militärische Grundausbildung, alles in einem bunten Ereignis-Look. Die Mitgliedschaft in der Organisation wird sichtlich attraktiv gemacht. Doch hinter der Rekrutierung, erklärt die Forscherin Alava, stehen durchaus auch Zwänge.
Jonna Alava, Militärexpertin Universität Helsinki
»Der Gruppenzwang ist groß, dadurch ist die Organisation auch so schnell gewachsen. Sie veröffentlichen Posts mit der Nachricht, dass ganze Schulklassen auf einmal Mitglied wurden. Das erhöht bei den Kindern den Druck, mitzumachen. Von Kindern von Armeemitgliedern wird außerdem erwartet, dass sie teilnehmen. Das gilt offenbar auch für einige andere Behörden. Es ist vielleicht noch keine Verpflichtung, aber der Druck ist da.«
23. Februar 2022
Einen Tag vor Kriegsbeginn bekam die »Junarmija« eine besondere Anerkennung: Am 23. Februar machte sie erstmals mit beim großen Wohltätigkeitssportfest. Das kleine Mädchen darf zum besonderen Anlass ein Gedicht aufsagen: ein Lob auf die Soldaten zum »Tag des Vaterlandsverteidigers«, dem Gründungstag der Roten Armee. »Zum ersten Mal«, so der Begleittext zum Video, »nehmen auch die zukünftigen Verteidiger unseres Landes« an der Veranstaltung teil. Die ersten ehemaligen »Junarmisten« sollen bereits in den Reihen der russischen Armee in der Ukraine kämpfen, mindestens einer, heißt es, ist im Krieg gefallen.