Einschnitte im Nahverkehr Gewerkschaft warnt vor weniger Zügen und Bussen wegen des Deutschlandtickets

U-Bahn in Berlin: Ausreichende Personaldecke nötig
Foto: Christoph Soeder / dpaMit dem 49-Euro-Ticket wollen Bund und Länder Menschen angesichts der hohen Inflation entlasten – und zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG warnt jedoch vor einer Reduzierung des Angebots an Zügen und Bussen, sollte das geplante Deutschlandticket nicht ausreichend vom Bund gegenfinanziert werden.
»Was nicht passieren darf, ist, dass man Verkehrsleistungen abbestellt, das wäre der klimapolitische Totalschaden in unserem Land«, sagte EVG-Chef Martin Burkert. Wenn das 49-Euro-Ticket zum 1. April eingeführt werde, müsse es nach sechs Monaten eine Evaluation der Kosten geben. Notfalls müsse der Bund nachschießen. Der öffentliche Nahverkehr müsse zudem weiter ausgebaut werden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing wirbt trotz teils noch offener Finanzfragen für einen Start des geplanten deutschlandweiten Nahverkehrstickets. »Niemand weiß heute exakt, was die Einführung des 49-Euro-Tickets im nächsten Jahr genau kosten wird«, sagte der FDP-Politiker der »Welt am Sonntag .« Das werde man erst 2024 wissen. »Dann wollen wir ohnehin über das Ticket und die weitere Entwicklung mit den Ländern reden.« Deshalb sollten sich jetzt alle an die Arbeit machen und einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zur Ticketeinführung zügig umsetzen.
Starttermin weiter unklar
Hintergrund ist ein neuer Finanzstreit um das geplante bundesweit nutzbare Ticket für Busse und Bahnen im Nahverkehr mit einem Einführungspreis von 49 Euro im Monat. Es soll im neuen Jahr kommen und an das beliebte 9-Euro-Ticket aus dem Sommer anknüpfen. Die Verkehrsministerinnen und -minister der Länder hatten Ende November erklärt, sie erwarteten vom Bund, dass mögliche Mehrkosten zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt und gemeinsam getragen werden. Der Starttermin ist noch offen, die Länder streben den 1. April an.
Generell hatten sich Bund und Länder geeinigt, bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr als Ausgleich für angenommene Einnahmeausfälle bei den Verkehrsunternehmen jeweils zur Hälfte zu finanzieren. Der Bund will zudem seine regulären Mittel erhöhen, mit denen die Länder Leistungen bei Verkehrsanbietern bestellen. Wissing sagte der »Welt am Sonntag«: »Der Bund wird die Länder deshalb unterstützen, wo er kann.«
Überlastung bei Beschäftigten
Selbst wenn das gelingt und das Deutschlandticket ein Erfolg wird, gibt es weitere ungelöste Probleme. Nötig sei besonders eine ausreichende Personaldecke, sagte EVG-Chef Burkert. »Das neue 49-Euro-Ticket braucht auch die Akzeptanz bei den Beschäftigten«, sagte er. Das 9-Euro-Ticket habe im Sommer für eine enorme Überlastung bei den Beschäftigten gesorgt.
In der Folge habe es einen hohen Krankenstand gegeben, der in den Ballungszentren teilweise bei über 30 Prozent gelegen habe. Es hätten sich Überstunden angehäuft, allein bei der Deutschen Bahn mehr als sechs Millionen – beispielsweise bei Lokführern, Fahrdienstleiterinnen und Zugbegleitern. Die Folge seien Ausfälle von Fahrten gewesen. Burkert: »Es fehlt einfach Personal, und zwar massiv.«
Der EVG-Vorsitzende berichtete von einer sehr hohen Fluktuation. Die Deutsche Bahn habe zwar dieses Jahr 24.000 Beschäftigte eingestellt, gleichzeitig hätten viele das Unternehmen verlassen. Gründe seien eine zu geringe Bezahlung, Schichtdienst und fehlender Wohnraum in den Ballungsräumen.
Das 9-Euro-Ticket habe außerdem gezeigt, dass Rolltreppen, Aufzüge sowie Griffe, Sitze und Toiletten dem Ansturm von Fahrgästen nicht hätten standhalten können. Hier brauche es mehr Robustheit beim Material, sagte Burkert.