50 Jahre Goggomobil Ferrari der kleinen Leute
Dingolfing - Oldtimerfreunde aus aller Welt wollen an Pfingsten den 50. Jahrestags des Goggomobils mit einem über 30 Kilometer langen Autokorso feiern. Der legendäre Kleinwagen aus Wirtschaftswunderzeiten lief im März 1955 erstmals in Serienproduktion in der Dingolfinger Automobilfirma Hans Glas vom Band. Die damalige Goggomobil- und Glas-Sportwagenschmiede ist heute das Herzstück des größten Werks im BMW-Produktionsverbund, nachdem der Münchner Autobauer den kleinen bayerischen Konkurrenten Ende der sechziger Jahre übernahm.
Die letzten Goggomobile, die im Juni 1969 das Dingolfinger Werk verließen, trugen bereits BMW als Herstellernamen im Fahrzeugbrief. Das Kleinstmobil wurde in drei Grundversionen gebaut: Das Urmodell mit einem 250 Kubikzentimeter-Zweitaktmotor kam nicht als Automobil, sondern als "Vierradroller" auf den Markt, wie Jürgen Kraxenberger, Vorsitzender der Dingolfinger Goggo-Oldtimerclubs erzählt. Anders als die Kleinfahrzeuge der Konkurrenz, etwa der Messerschmidt-Kabinenroller, die BMW-Isetta oder die Heinkel Kabine, sei der Goggo aber von Anfang an wie ein richtiges Auto ausgestattet, in dem zwei Erwachsene und zwei Kinder Platz fänden, betont Kraxenberger.
Kastentransporter für die Bundespost
Seine Eigenkonstruktion benannte Firmengründer Glas nach seinem jüngsten Enkel Andreas, dem ein Hausmädchen den Spitznamen Goggi gegeben hatte. Das 390 Kilogramm schwere und 2,90 Meter lange Kleinauto brachte es in der Urversion mit 13,6 PS mit hell singendem Motor auf 74 Stundenkilometer. 1957 folgten eine 300 und 400 Kubik-Version und eine rassige Coupé-Version: Das Design des "Goggomobil TS" verkörpert noch heute die Fünfziger-Jahre-Mode der Nierentische. Schnell erntete der 100 Stundenkilometer schnelle Flitzer die liebevolle Spottbezeichnung "Ferrari des kleinen Mannes". Aus der Basisversion des Goggo entwickelten Glas auch einen kleinen Kastentransporter, den allein die damalige Bundespost über 2000-mal orderte.
Wie der Goggo-Liebhaber Uwe Staufenberg berichtet, überdauerten die Goggomobile auch in der Ära zunehmenden Wohlstands, weil sie mit einem einfachen Traktorführerschein der Klasse Vier zu fahren waren. "Viele Leute waren noch in den Siebzigern auf ihr Goggo angewiesen, weil sie keinen anderen Führerschein besaßen", sagt Staufenberg, der seit 20 Jahren davon lebt, Goggo-Fans in aller Welt mit zum Großteil nachproduzierten Ersatzteilen zu versorgen. "Wir haben Kunden aus der ganzen Welt, bis aus Neuseeland", berichtet der Stuttgarter.
Schon Glas exportierte sein Gefährt bis in die USA. In Australien, Argentinien und Spanien wurde das Goggomobil tausendfach in Lizenz gebaut, wie Staufenberg erzählt. Wie für viele Goggofans begann auch für ihn die Liebe zu dem niedlichen Gefährt bereits in Kindertagen. "Überall, wo sie mit einem Goggomobil hinfahren, begegnen ihnen freundliche Gesichter und lachende Menschen", betont Staufenberg. Vor allem hat es ihm das kleine Cabrio-Coupé angetan: "Das ist einfach zeitlos schön."
Goggoschlange in der Produktionshalle
Nach Angaben der Oldtimer-Enthusiasten rollten exakt 280.728 Goggos vom Band der Autoschmiede Glas. Der Dingolfinger Autobauer hatte jedoch auch große leistungsstarke Modelle wie den "Isar" im Programm. Zuletzt machte sich Glas mit von italienischen Star-Designern entworfenen Sportcoupés der gehobenen Mittelklasse einen Namen, die Mitte der sechziger Jahre sogar mit Achtzylinder-Triebwerken ausgestattet fuhren.
Doch wie der heutige Dingolfinger BMW-Werkssprecher Hermann Stiegler berichtet, war sich Glas am Ende klar, dass er allein als Familienunternehmen nicht mehr lange eine Chance in der hart umkämpften Autobranche hatte. Dabei habe in den Fünfzigern schon ein CSU-Politiker namens Franz Josef Strauß vorgeschlagen, aus BMW, NSU und Glas die Bayerischen Automobil Werke zu formen, als dessen Führungsfigur er Glas haben wollte, berichtet Stiegler. "Doch Hans Glas hat schon damals gesagt: Steine, die wir nicht heben können, lassen wir liegen."
1967 übernahm dann doch BMW Glas, als die Münchner auch auf der Suche nach einem neuen Werksstandort waren. Alle 2500 damaligen Glas-Mitarbeiter seien übernommen worden, sagt Stiegler. "Heute arbeiten hier über 22.000 Menschen", fügt er hinzu. In dem alten Glas-Stammwerk werden heute Fahrwerks- und Antriebskomponenten für sämtliche BMW-Fabriken weltweit hergestellt.
Am Pfingstwochenende feiern die Goggofans ihr großes Geburtstagsfest. Sie erwarten für den Pfingstsonntag 400 Goggomobile für einen Autokorso rund um die niederbayerische Stadt. BMW ermöglicht für die Ehrenrunde einen besonderen Höhepunkt: Die Goggoschlange darf dabei auch durch die Glas-Produktionshalle von einst rollen.
Von Michael Pohl, AP