Abgasskandal Audi muss erstmals auch Euro-4-Diesel zurückrufen

Neuer Ärger im Abgasskandal für Audi: Laut SPIEGEL-Informationen hat das Kraftfahrtbundesamt erstmals den Rückruf von Euro-4-Modellen angeordnet, die bislang als unverdächtig galten.
Erstmals droht einem Autohersteller ein Rückruf alter Euro-4-Diesel

Erstmals droht einem Autohersteller ein Rückruf alter Euro-4-Diesel

Foto: Christoph Schmidt/picture alliance

Erstmals muss Audi jetzt auch alte Euro-4-Diesel zurückrufen. Nach SPIEGEL-Informationen hat das Kraftfahrtbundesamt den Rückruf angeordnet, weil es illegale Abschalteinrichtungen in den betroffenen Modellen vermutet. Das Bundesverkehrsministerium hat den Konzern zu Anhörungen eingeladen.

Audi bestätigt den Rückruf. Beim Unternehmen heißt es: "Am 5. November hat das KBA einen Rückruf für Audi-A4- und -A6-Modelle aus den Jahren 2004 bis 2009, in denen ein V6-2.7l-TDI-Motor verbaut ist, angeordnet. Ersten Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund 40.000 solcher Fahrzeuge zugelassen. Audi steht hinsichtlich der Abarbeitung mit dem KBA in enger Abstimmung."

Bislang waren ältere Diesel, die bis zum Jahre 2010 erstzugelassen worden sind, von Rückrufen wegen manipulierter Abgassysteme nicht betroffen. Jetzt ist das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) davon überzeugt, dass bei Modellen mit 2,7 und 3,0 Liter Hubraum sogenannte Abschalteinrichtungen verbaut sind.

Die Mutter aller Abschalteinrichtungen

Die Abschalteinrichtungen sorgen dafür, dass sich die Abgasreinigung für giftige Stickoxide zumindest teilweise abschaltet, wenn sich das Fahrzeug im realen Fahrbetrieb befindet und nicht mehr im Testlabor. Die Folge der Manipulation: Die Autos stoßen weit mehr als die bei der damals gültigen Abgasnorm Euro 4 zulässigen 250 Milligramm pro Kilometer aus.

Betroffen sind nach SPIEGEL-Informationen rund 120.000 Fahrzeuge in ganz Europa. In ihnen steckt eine sogenannte Akustikfunktion. Sie war ursprünglich für die Motorensoftware programmiert worden, um das charakteristische Nagelgeräusch von Dieselautos zu verringern. Doch nach der Jahrtausendwende fügten die Entwicklungsingenieure wohl genau in diese Funktion Befehle ein, mit denen die Abgasreinigung ausgeschaltet werden konnte.

Nicht der erste Vorfall bei Audi

In Fachkreisen gilt das manipulative Werk der Audi-Leute als Mutter aller Abschalteinrichtungen. Der Motorenfachmann Georg Wachtmeister von der TU München hält das Vorgehen des Konzerns in einem Gutachten für das KBA, über das der Bayerische Rundfunk im Oktober berichtet hat, für illegal. "Eine Anwendung von Bauteil- bzw. Motorschutz ist mit den von Audi vorgebrachten Argumenten nicht gegeben", schreibt Wachtmeister laut BR und folgert: "Damit wird in Fällen der Grenzwertüberschreitung die Akustikfunktion als unerlaubte Abschalteinrichtung eingestuft."

Für Audi ist der neuerliche Fall besonders peinlich. Bereits bei jüngeren Modellen der schadstoffärmeren Normen Euro 5 und Euro 6 waren die Kontrolleure fündig geworden. Die Entwickler des Konzerns in Neckarsulm haben ganz offensichtlich für den Gesamtkonzern Volkswagen, darunter auch die Premiummarke Porsche, die manipulierten Motoren konzipiert. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler saß auf Anordnung der Staatsanwaltschaft München wegen mutmaßlichen Betrugs mehrere Monate in Untersuchungshaft. Ihn erwartet nun der Prozess. Der Audi-Konzern, der unlängst schwache Bilanzzahlen und ein Sparprogramm angekündigt hat, kann wegen der ins Haus stehenden Rückrufe die Dieselaffäre nicht zu den Akten legen.

Die Ingenieure müssen die Abgasanlage nun so umbauen, dass die Manipulationen deaktiviert sind. Der Aufwand, in diesem Fall die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten, könnte hoch sein. Falls es ihnen nicht gelänge, könnten die Fahrzeuge zum damaligen Neupreis von den Kunden zurückgekauft werden müssen. Das wäre für Audi ein äußerst kostspieliges Unterfangen.

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