Abgasskandal Audi ruft 850.000 Dieselautos in die Werkstatt

Nach Daimler startet der nächste deutsche Autohersteller eine Umrüstaktion: Audi will bei 850.000 Diesel-Pkw mit den Abgasnormen EU 5 und EU 6 den Schadstoffausstoß senken - durch ein Software-Update.
Audi-Fahrzeuge

Audi-Fahrzeuge

Foto: Armin Weigel/ dpa

Es soll "ein Beitrag zur Luftreinhaltung" sein und "möglichen Fahrverboten" entgegenwirken: Der Hersteller Audi kündigte am Freitag in einer Mitteilung an, bis zu 850.000 Wagen mit Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren der Abgasnormen EU 5 und EU 6 mit neuer Software ausstatten zu wollen. Diese solle einen geringeren Schadstoffausstoß bewirken.

Betroffen seien Fahrzeuge in Europa und weiteren Märkten außerhalb Nordamerikas. Die Aktion werde "in enger Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt" erfolgen und gelte auch für Modelle der Marken Porsche und Volkswagen mit baugleichen Motoren. Für die Kunden sei der Service, wie Audi die Nachrüstung nennt, kostenfrei.

Am Dienstag hatte bereits der Hersteller Daimler angekündigt, bei drei Millionen Dieselautos in Europa ein Software-Update anzubieten. Sowohl die Aktion von Mercedes als auch die jetzt verkündete Maßnahme von Audi erfolgt freiwillig - das heißt, Besitzer der betroffenen Wagen müssen das Update nicht aufspielen lassen. Ein verpflichtender Rückruf gilt derzeit für Dieselautos des VW-Konzerns mit dem Motor EA 189, bei dem der Hersteller im September 2015 einen Abgasbetrug zugegeben hatte.

Ob der neueste "Service" von Audi also wirklich dazu beiträgt, die Luftqualität zu verbessern, ist völlig unklar - und hängt vor allem davon ab, wie viele Autobesitzer sich tatsächlich beteiligen und wie stark das Software-Update die Stickoxid-Emissionswerte verringert. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte bei einer Verhandlung am Mittwoch die Wirksamkeit solcher Software-Lösungen angezweifelt. Fahrverbote für Dieselautos in Innenstädten ließen sich damit wohl kaum vermeiden. Eine endgültige Entscheidung wird für nächsten Freitag erwartet.

Nach SPIEGEL-Informationen ist Audi zudem Teil eines Autokartells, zu dem auch die Hersteller VW, Porsche, BMW und Daimler gehören. Die Konzerne haben sich seit den Neunzigerjahren in geheimen Arbeitskreisen über die Technik ihrer Fahrzeuge, über Kosten, Zulieferer, Märkte, Strategien und sogar über die Abgasreinigung ihrer Dieselfahrzeuge abgesprochen. Das belegt ein Schriftsatz, den der VW-Konzern bei den Wettbewerbsbehörden eingereicht hat. Die Konzerne wollten sich gegenüber dem SPIEGEL nicht zu den Vorwürfen äußern.

Das soll auf dem Diesel-Gipfel beschlossen werden

Die Stickoxid-Problematik von Autos mit Selbstzündern soll am 2. August beim "Nationalen Forum Diesel" zwischen Vertretern von Politik und Industrie verhandelt werden. Zum Treffen eingeladen sind die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - außerdem Berlin und Hamburg als stark von hohen Stickoxidwerten (NOx) betroffene Stadtstaaten. Zudem sollen die Chefs von VW, Audi, Porsche, BMW, Daimler, Ford Deutschland und Opel, der Verband der Automobilindustrie (VDA) sowie der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) teilnehmen. Auch der Deutsche Städtetag, die IG Metall und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sind eingeladen.

Der Autofahrerklub ADAC kritisierte den Teilnehmerkreis. "Die Bundesregierung verliert die Interessen der Verbraucher aus den Augen, indem sie es versäumt, diese aktiv einzubeziehen", sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Anders seien fehlende Einladungen an das Verbraucherschutzministerium und Verbraucherverbände wie den ADAC nicht zu erklären.

Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters stehen die Eckpunkte der Strategie, die auf dem Gipfel beschlossen werden soll, bereits fest:

  • Der Rückruf und die Nachrüstung per Software sei für Euro-6- und Euro-5-Dieselmotoren vorgesehen.
  • Neben den deutschen Herstellern hätten auch die Importeure ihr Ja signalisiert.
  • Die Kosten der Hersteller werden auf gut 100 Euro pro Fahrzeug kalkuliert, inklusive Entwicklung neuer Software-Versionen. Die Industrie müsse daher für die Flotten in Deutschland wohl deutlich weniger als zwei Milliarden Euro aufwenden.
  • Keine Kosten für die Besitzer.
  • Drei oder vier Arbeitsgruppen würden zudem eingesetzt: eine für die Nachrüstung, wo die Details geregelt und etwa die früheren Diesel-Käufer ermittelt werden können. Das Kraftfahrt-Bundesamt wird mitwirken, um die Software-Updates zu genehmigen. Eine weitere Arbeitsgruppe mit dem Arbeitstitel "Kommunales Verbesserungsmanagement" soll sich unter anderem mit den Dieselfahrzeugen von Behörden und regionalen Behörden befassen, eine Kommission "Digitalisierung" mit der Verflüssigung des Verkehrs in Städten, um den NOx-Ausstoß so zu begrenzen.

Reuters beruft sich auf "mehrere mit den Plänen vertraute Personen". Das Verkehrsministerium wollte die Angaben zunächst nicht kommentieren. Das "Nationale Forum Diesel" findet unter Leitung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Umweltministerin Barbara Hendricks statt.

Anders als die Konkurrenz plant BMW vor dem Diesel-Gipfel keine Rückrufaktion. "Wir sehen dazu keine Veranlassung vor dem 2. August", sagte ein Sprecher des Münchner Autobauers am Freitag. Es gebe keinen Grund zur Hektik.

cst/ Reuters/dpa
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