EU-Richtlinie zum Abgasskandal Dicke Luft dank Dobrindt

Nach dem Skandal um manipulierte Pkw-Abgaswerte will die EU die Autoindustrie schärfer kontrollieren. Doch das Vorhaben stockt - als Bremsklotz gilt mal wieder das deutsche Verkehrsministerium.
Luftmesstation in München

Luftmesstation in München

Foto: Sven Hoppe/ picture alliance / Sven Hoppe/dpa

Der Versuch der EU, Konsequenzen aus dem Abgasskandal zu ziehen und weiteren Missbrauch zu verhindern, stößt auf Hindernisse. Bereits am Mittwoch sollten die Botschafter der EU-Staaten in Brüssel über eine neue Richtlinie beraten, die deutlich schärfere Regeln bei der Zulassung neuer Autos und der Marktüberwachung ergeben soll. Doch erst wurde die Abstimmung auf Freitag verschoben - und nun soll der Text erneut überarbeitet werden.

Als ein wichtiger Urheber der Verzögerung gilt in Brüssel das deutsche Verkehrsministerium. Die anderen Staaten haben sich zu der Richtlinie weitgehend positioniert, auch die EU-Kommission konnte mit dem letzten Kompromissvorschlag Maltas leben, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft führt. Ende vergangener Woche aber schickte das Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einen 27-seitigen Katalog mit Änderungswünschen.

Die Vorschläge, die dem SPIEGEL vorliegen, würden die Richtlinie in zentralen Punkten deutlich abschwächen. Wegfallen würde unter anderem die stärkere Rolle der Kommission. Sie soll nach den bisherigen Plänen selbst Abgastests vornehmen und Verstöße mit bis zu 30.000 Euro pro betroffenem Auto ahnden dürfen - unabhängig von etwaigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Für VW etwa wäre eine solche Strafe im Dieselskandal geradezu ruinös gewesen. Allein für die in Deutschland verkauften 2,6 Millionen Autos mit Betrugssoftware wären dann 78 Milliarden Euro fällig gewesen. Im Dobrindt-Vorschlag aber schrumpft die neue Rolle der Kommission, stattdessen soll ein Gremium der EU-Mitgliedstaaten das Sagen haben.

Die Rolle von TÜV und Co. bleibt ungeklärt

Die Richtlinie sah auch vor, dass die für Typzulassungen verantwortlichen technischen Dienste wie etwa der TÜV nicht mehr direkt von den Autoherstellern bezahlt werden. In dem Entwurf aus Dobrindts Haus heißt es nun zwar, dass technische Dienste frei von Einflüssen "insbesondere finanzieller Art" sein sollten, die ihre Bewertungen beeinflussen könnten. Von einem Verbot der Zahlungen von Autoherstellern aber ist keine Rede mehr.

Es ist jedoch offen, ob sich Deutschland mit seinen Vorschlägen durchsetzen kann. Die 30.000-Euro-Strafe durch die Kommission etwa stand noch im letzten Entwurf, wenn auch nur in eckigen Klammern, was Diskussionsbedarf kennzeichnet. Und das, obwohl Berlin massiv Front gegen den Vorschlag gemacht hatte. Eine solche Strafzahlung müsse in der Summe verhältnismäßig sein, hieß es dazu aus dem Verkehrsministerium.

Irritationen in Brüssel

Zudem hat Dobrindts späte Intervention in Brüssel durchaus für Irritationen gesorgt, wie Beteiligte berichteten. Als ein Grund gilt das Hin und Her innerhalb der Bundesregierung. So soll Dobrindts Änderungskatalog, der immerhin mit "Vorschlag der Bundesregierung" betitelt ist, nicht mit dem Umweltministerium abgesprochen gewesen sein. Auch inhaltlich hätten Dobrindts Vorschläge, so heißt es in Brüssel, bei den meisten anderen EU-Staaten nicht unbedingt Begeisterung ausgelöst.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums wies die Vorwürfe zurück. Bei dem Papier handele es sich um "die abgestimmte Haltung der Bundesregierung". Zudem sei Deutschland mitnichten der Bremser in der Debatte um schärfere Regeln. Man wolle durchaus eine stärkere Rolle der Kommission. Der Streit zwischen Deutschland und Italien um angebliche Abgasmanipulationen bei Fiat habe deutlich gemacht, dass es nichts bringe, wenn die Kommission die unterschiedlichen Auffassungen lediglich zur Kenntnis nehmen könne. Sie müsse in einem solchen Fall entscheiden dürfen.

Die Diskussionen gehen nun in die nächste Runde. Die maltesische Ratspräsidentschaft wird auf Basis der Änderungsvorschläge, die Deutschland und andere Länder beim Botschaftertreffen am Freitag eingebracht haben, einen neuen Entwurf erstellen. Am 29. Mai sollen die zuständigen Minister der Mitgliedsländer darüber abstimmen. Anschließend stehen die Beratungen des Ministerrats mit dem EU-Parlament und der Kommission an.

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