ADAC-Skandal Der unheimliche Verein
Tag für Tag gibt es neue Erkenntnisse über die zweifelhaften Geschäftspraktiken des ADAC. Endlich. Denn die Macht des Unternehmens in der Verkleidung eines Vereins war schon seit langem beängstigend.
Abgehoben: ADAC- Präsident Meyer (rechts) und Ex-Eurocopter-Chef Lutz Bertling
Foto: Peter Kneffel/ dpaDer ADAC, das ist seit Jahrzehnten das gute Gefühl, bei einer Panne nicht auf der Strecke zu bleiben. Der ADAC war aber auch immer das ungute Gefühl, dass sich hinter den gelben Engeln, die bei einem Defekt anrücken, etwas Unheimliches verbirgt.
Aber wieso wirkt dieses Gefühl so bekannt? Ach ja, es gibt einen Konzern, der ganz ähnlich funktioniert wie der Automobilclub: Google. Jede Menge nützliche Dienste im Angebot, aber gleichzeitig eine Machtfülle und Monopolstellung, der die Nutzer ausgeliefert sind. Wer die Dienste in Anspruch nimmt, liefert sich aus: Google macht durch seine Nutzer gigantische Geschäfte, der ADAC missbraucht die Masse seiner Mitglieder für eine Politik im eigenen Sinne.
Dem ADAC gehören 19 Millionen Menschen an. In gewisser Weise ist er die größte Volkspartei Deutschlands, nur ohne demokratische Kontrolle. Da überrascht es nicht und verstört doch, dass der Club auch immer wieder in politische Debatten eingreift. Der ADAC gibt sein Votum zu Fragen wie dem Tempolimit, Pkw-Maut oder der Entfernungspauschale ab, im Namen der Autofahrer, wie der Verein stets behauptet. Aber ob das tatsächlich so ist und nicht die Mitglieder in entscheidenden Fragen ganz anderer Meinung sind, weiß niemand so genau.
Die "Motorwelt" ist das Parteiprogramm des ADAC
Das an die meisten Mitglieder verschickte Magazin "ADAC Motorwelt" ist mit 13,8 Millionen gedruckten Exemplaren das auflagenstärkste Printprodukt Europas. Firmen fürchten und lieben die Publikation zugleich, positive oder negative Testergebnisse können das Schicksal ganzer Produktlinien entscheiden. Wenn es um die Bewertung von Autothemen geht, genießt das Urteil des ADAC ein ähnliches Vertrauen wie das der Stiftung Warentest. Oder, anders gesagt: Was der ADAC sagt, ist Gesetz.
Der ADAC-Führung ist das offenbar zu Kopfe gestiegen, sie hat sich, zumindest in Teilen, auf die dunkle Seite der Macht begeben. Ein Kommunikationschef, der über Jahre hinweg die Mitgliederstimmen zum Wahl des "Gelben Engel" frisiert. Ein Präsident, der Rettungshubschrauber für Dienstreisen nutzt. Ein Bereichsleiter, der im Hintergrundgespräch kein Problem darin sieht, wenn der ADAC bei Tests auch Produkte bewertet, die er selbst vertreibt. Der ADAC hat sich scheinbar ein eigenes Reich mit eigenen Regeln geschaffen. Ramstetter mag weg sein, doch das Grundproblem des ADAC ist dadurch nicht weg.
Der ADAC in diesen Tagen ist das gute Gefühl, dass das ungute Gefühl beim ADAC keine Einbildung war. Es ist jetzt keine vage Ahnung mehr, es gibt konkrete Hinweise auf Machtmissbrauch. Zum ersten Mal bröckelt die Mauer des Schweigens und gibt den Blick frei auf die Selbstherrlichkeit der Führungsriege. Die scheint den Regeln der restlichen Welt so entrückt, dass weitere Enthüllungen keine Überraschung, aber wünschenswert wären.
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