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Audi e-tron: Die Spannung steigt

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Elektro-SUV Audi e-tron Die Spannung steigt

Lange Jahre war Tesla weitgehend allein auf dem Markt der Luxus-Elektroautos. Jetzt ändert sich das. Nach Jaguar und Mercedes schickt jetzt Audi seinen Stromer ins Rennen: den e-tron.

Das Auto, das bei Audi eine Revolution anzetteln soll, sieht nicht danach aus. Es ist ein SUV. 4,90 Meter lang, der Kofferraum fasst 600 Liter, fünf Passagiere können bequem darin sitzen, auch die auf der Rückbank. Produktmanager Markus Siebert findet das gut: "Wir wollen keine Nische bedienen, sondern ein Auto mit Breitenwirkung anbieten."

Das Auto heißt Audi e-tron und soll das erste vollelektrische Fahrzeug der Volkswagen-Tochter werden. Die Breitenwirkung des Autos ist Fluch und Segen zugleich: Große, schwere Autos führen das eigentliche Ziel von Elektroautos, nämlich das nachhaltiger Mobilität, ad absurdum. Gleichzeitig sind SUV die aktuell erfolgreichste Fahrzeuggattung. Dass Audi ein E-SUV baut, ist also zumindest strategisch nachvollziehbar - zumal die Konkurrenten Jaguar und Mercedes ihre Elektro-Offensive mit den Modellen iPace und EQ-C im gleichen Segment verorten.

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Im Vergleich zu den Konkurrenten hat der e-tron durchaus Zusätzliches zu bieten: Audi hat beispielsweise konsequenter als etwa Mercedes die Vorteile einer elektrischen Architektur genutzt und einen komplett flachen Boden hinbekommen - kein Kardantunnel schmälert den Platz im Fußraum. Auch unter der Motorhaube konnte die Elektrotechnologie auf überraschende Weise ihren Platzvorteil ausspielen: Projektleiter Siebert schwärmt vom "Frunk", der seinen Namen aus den englischen begriffen "Front" und "Trunk" ableitet. Dieser zweite Kofferraum ist mit 60 Litern zwar deutlich kleiner als beim Tesla Model X, aber immerhin groß genug für das Ladekabel. Das wird sonst meist unter dem Kofferraumboden verstaut und zwingt nicht ganz so vorausschauende Fahrer vor dem Aufladen während der Urlaubsfahrt auch noch zum Ausladen.

Aufbruch in die Akku-Ära

Es sind tatsächlich die Details, die das Auto ausmachen, auch optisch: Weil Designchef Marc Lichte Millionen von Bestandskunden mitnehmen will in die neue Elektro-Ära, hat er sich allzu große Sprünge bei der Gestaltung verkniffen: Ein paar neue, markante Scheinwerfer und Rückleuchten, ein ungewöhnliches Bootsheck, ein paar imitierte Kühlrippen an der Flanke und vor allem eine weitere Spielart des immergleichen Singleframe-Grills müssen reichen, um den Aufbruch ins Akku-Zeitalter zu illustrieren.

Lichte und sein Team mussten nicht nur eine Balance zwischen der alten und der neuen Audi-Welt halten, sondern noch einen anderen Kampf kämpfen: "Mehr denn je haben wir auf die Aerodynamik geachtet und das Auto eher im Windkanal als am Zeichenbrett entworfen", behauptet Lichte: Der Kühlergrill ist deshalb weitgehend geschlossen, die Außenspiegel werden zum ersten Mal bei einem Großserienmodell durch Videokameras ersetzt und der Unterboden hat sogenannte Dimples wie ein Golfball, weil die kleinen Dellen noch strömungsgünstiger sind als eine komplett glatte Fläche, erläutern die Entwickler.

Warum die Aerodynamik so wichtig ist? Weil es im Elektroauto so ruhig ist, aerodynamische Störgeräusche also viel mehr auffallen. Vor allem wegen der Reichweite, die in der neuen PS-Welt so wichtig ist wie früher vielleicht mal der Sprintwert von null auf hundert km/h. Im Alltag, wo ein, zwei Grad mehr oder weniger an der Klimaanlage den Aktionsradius des Autos schon erheblich schmälern, macht die Feinarbeit wohl keinen Unterschied. Aber dafür, was man in den Prospekt drucken darf, zahlt sich der Feinschliff im Windkanal aus: "Allein mit dieser Maßnahme haben wir 35 Kilometer zusätzlich geholt", sagt Produktmanager Siebert.

Der e-tron will beim Laden in die Poleposition gehen

Im Zusammenspiel mit einem ausgeklügelten System der Rekuperation, das mit der Rückgewinnung der Energie beim Bremsen bis zu 30 Prozent zur möglichen Fahrstrecke beiträgt und einem Akku von gewaltigen 95 kWh Speicherkapazität - kommt der e-tron auf eine Normreichweite von mehr als 400 Kilometern.

Das ist nicht schlecht, aber auch nicht spektakulär. Das gilt auch für die Fahrleistungen. 408 PS aus zwei E-Maschinen, von 0 auf 100 in weniger als sechs Sekunden und maximal 200 km/h, bevor die Elektronik den Hahn zudreht - da können iPace und EQC auch und die Teslas deutlich mehr.

Dafür will der e-tron beim Laden in die Poleposition gehen. Der Wagen ist für die 150 kW-Technik gerüstet, die der VW-Konzern gemeinsam mit Daimler, Ford und BMW unter dem Namen Ionity mit 400 Standorten bis 2020 in Europa etablieren will. Binnen 30 Minuten wird der Wagen an einer solchen Ladesäule wieder flott gemacht für die nächste Langstreckenetappe. Ab 2019 wird er zusätzlich auch mit einem zweiten Ladegerät für die heimische Garage ausgeliefert: Wem die acht Stunden bei 11 kW zu lang sind, der kann die Zeit so signifikant verkürzen.

"Tesla verliert den Status des Besonderen"

Außerdem hat es Audi geschafft, 80 Prozent der 65.000 öffentlichen Ladepunkte in Europa vertraglich so unter einen Hut zu bringen, dass man dort mit einem Kundenkonto und einer Karte Strom zapfen kann. "Das war fast so schwer, wie die Entwicklung des Autos selbst", stöhnt Siebert.

Der e-tron ist Audis Antwort auf den Erfolg von Tesla. Eine Antwort, die genau wie der iPace von Jaguar oder der EQ C von Mercedes-Benz erstaunlich nahe am Tesla bleibt. Ja, das Interieur ist ein bisschen besser verarbeitet. Das Infotainment wirkt ein wenig moderner. Und natürlich hat Audi mehr Erfahrung darin, wie man eine Produktion steuert.

Vorsprung durch Technik sieht trotzdem anders aus. Trotzdem dürften die Zeiten für Elon Musk künftig ein wenig ungemütlicher werden, sagt Jan Burgard von der Strategieberatung Berylls in München: Der Jäger ist zum Gejagten geworden, ist der Experte überzeugt: "Denn mit jedem neuen Modell eines etablierten Herstellers verliert Tesla den Status des Besonderen und muss sich in einem zunehmend elektrifizierten Wettbewerbsumfeld behaupten."

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