Audi Urban Concept Die Hightech-Seifenkiste
Audi sieht sich selbst als erfolgreichsten Premiumhersteller. Mit kleinen Autos aber hat die Marke kein Glück. Vor Jahren floppte der A2, und der neue A1 kommt auch nicht recht in Schwung. Jetzt soll ein radikales E-Mobil für die Metropolen von Morgen die Wende bringen.
Mega City Vehicle - diesen Begriff hatte in den letzten Jahren BMW praktisch gepachtet. Denn Mega City Vehicle war der Arbeitstitel des i3, jenes Elektro-Viersitzers mit Karbonkarosserie, den die Münchner auf der IAA in Frankfurt Mitte September als Zukunftsauto schlechthin präsentieren werden. Doch auf dem Weg ins automobile Morgen ist BMW nicht allein. Ausgerechnet Erzkonkurrent Audi fährt den Münchnern beim Branchengipfel mit einer ganz ähnlich angelegten, aber noch radikaleren Studie in die Parade: dem Zweisitzer Urban Concept.
Genau wie der BMW i3 ist auch dieses Fahrzeug für die Metropolen der Zukunft gedacht, und damit für ein Publikum, dem erst einmal Lust auf individuelle Automobilität gemacht werden muss. Deshalb strapaziert Audi bei den Aussagen zum Urban Concept die Vokabeln jung, cool oder hip und dreht das Rad deutlich weiter als BMW: Während der i3 trotz neuem Design und innovativer Technik ein Auto mit vergleichsweise konventionellem Zuschnitt, gewöhnlichem Format und alltäglichen Fahrleistungen werden soll, brechen die Ingolstädter mit vielen Konventionen.
Konstruiert ist das dank Karbon und Aluminium keine 500 Kilo schwere Urban Concept im Stil eines futuristischen Kabinenrollers. Man sitzt mehr hinter- als nebeneinander, und statt klassischer Türen gibt es lediglich eine große Schiebescheibe an der Flanke. Wird die nach hinten gerückt, könne man bequem über die Brüstung auf die Sitze klettern, heißt es bei Audi.
Zwei Elektromotoren sorgen für Vortrieb
Grundriss und Optik von BMW i3 und Audi Urban Concept unterscheiden sich also deutlich, beim Antrieb jedoch sind sich beide Fahrzeuge sehr ähnlich: Das Stadtauto von Morgen fährt elektrisch. Deshalb hat das Urban Concept zwei E-Motoren und im Wagenboden einen Lithium-Ionen-Akku. Platz für einen sogenannten Range Extender, einen Verbrennungsmotor als Stromerzeuger während der Fahrt, gibt es allerdings nicht. Der Zweisitzer muss nach 50 bis 60 Kilometern an die Steckdose.
Natürlich wirkt das Urban Concept wie eine Ingolstädter Nebelkerze, mit der Audi von der IAA-Premiere des BMW i3 ablenken möchte. Das ist den Verantwortlichen in Ingolstadt offenbar schon deshalb ein Anliegen, weil der als Mini-Konkurrent gepriesene Audi A1 nicht recht in Fahrt kommt. Mit reichlich Vorschusslorbeeren gestartet, haftet dem bislang kleinsten Audi das Image des teuren Ladenhüters an. Die Unterschiede in der Zulassungsstatistik sind deutlich: Wurden von dem bislang nur als Dreitürer verfügbaren A1 im ersten Halbjahr 2011 in Deutschland 13.800 Neuwagen zugelassen, kam die ab Oktober aus fünf Karosserievarianten bestehende Mini-Familie im gleichen Zeitraum auf 20.200 Neuzulassungen.
Von außen mag der Urban Concept als ebenso pfiffige wie patzige Antwort auf den i3 wirken. Doch in Ingolstadt will natürlich niemand den Zweisitzer als BMW-Konkurrenten verstanden wissen. "Wir zielen eher auf Motorräder oder Roller und wollen zu diesen eine ebenso sichere wie komfortable und zeitgemäße Alternative bieten", sagt Audi-Sprecher Albrecht Trautzburg. Selbst wenn es so wäre, dann würde das Urban Concept nicht nur mit Schmalspur-Autos wie dem oder dem Nissan Land Glider konkurrieren, sondern ebenfalls mit Produkten der deutschen Wettbewerber. Denn die BMW-Tochter Mini und die Mercedes-Tochter Smart zeigten bereits im vergangenen Herbst die Entwürfe für elektrische City-Scooter; und aus beiden Unternehmen heißt es, diese Konzepte würden ernsthaft verfolgt.
Was wohl Konzernmutter VW zum Audi-Kabinenroller sagt?
Mit dem Hightech-Kabinenroller wird Audi aber nicht nur in München und Stuttgart für Aufsehen sorgen. Auch die Konzernmutter VW in Wolfsburg wird angesichts des Konzepts womöglich irritiert aufmerken. Schließlich setzen auch die Niedersachsen in Frankfurt auf kleine Autos und zeigen erstmals die Serienversion des Kleinwagens Up. Weil es von VW zudem den XL1 als Hightech-Sparmobil gibt und vor einigen Monaten auch ein Elektro-Roller enthüllt wurde, könnte das komplett anders gelagerte Urban Concept mal wieder für Zwist zwischen Wolfsburg und Ingolstadt sorgen.
Audi lässt sich bislang allerdings nicht beirren und betont schon vor der Premiere, das die Studie eben nicht nur ein Showmobil ist. "Das ist mehr als ein Gedankenspiel", sagt Trautzburg. Nicht umsonst befasse sich Audi zusammen mit Architekten und Stadtplanern im Rahmen des sogenannten Urban Future Summit bereits seit Jahren mit den Metropolen von Morgen. "Während die Ideen dort einen Zeithorizont von 2020 und mehr haben, ist dieses Fahrzeug jedoch für die nähere Zukunft gedacht."