

Lautsprecher in der Türverkleidung, Subwoofer im Kofferraum - was umgangssprachlich unter dem Begriff "fette Boxen" zusammengefasst wird, gilt manchen Autofahrern immer noch als unabdingbare Ausstattung für jeden ordentlichen Wagen. Geht es allerdings nach dem Zulieferer Continental, wird bald ein Großteil des Hi-Fi-Equipments völlig überflüssig: Das Unternehmen entwickelt gerade das lautsprecherlose Soundsystem fürs Auto.
"Unser Ansatz besteht darin, das Fahrzeug selbst als Instrument zu betrachten", sagt Johann Hiebl, Leiter des Geschäftsbereichs "Infotainment & Connectivity". Man habe sich dabei von der Funktionsweise von Saiteninstrumenten inspirieren lassen.
Die Neuerfindung des Auto-Audiosystems soll laut Continental durch sogenannte Aktuatoren gelingen: Aktuatoren können elektrische Signale in mechanische Bewegung umwandeln, sie bestehen aus einem Magneten und einer Spule, die Mikroschwingungen abgibt. Bei dem Continental-System werden die Schwingungen in Bauteile des Fahrzeugs geleitet, dadurch wird Schall erzeugt - so wie bei normalen Lautsprechern der Klang durch eine schwingende Membran entsteht.
Als Membran dient bei der boxenfreien Variante des Zulieferers zum Beispiel die A-Säule des Wagens, die Türverkleidung oder die Hutablage - je nach Frequenz. Denn die Größe der Oberfläche der Bauteile ist entscheidend für die drei Hauptfrequenzbereiche der Hoch-, Mittel- und Tieftöne. Je mehr Fläche, desto besser die Eignung für niedrige Frequenzen - ein Dachhimmel oder die Heckablage dient quasi als Subwoofer. "Die A-Säule eignet sich für hohe Frequenzen, wohingegen die Türverkleidungen die richtigen Eigenschaften für die Erzeugung der mittleren Frequenzen aufweisen", sagt Conti-Chefentwickler Dimitrios Patsouras.
Die angeblichen Vorteile des neuen Systems
Und was hat der Autofahrer davon, wenn Interieur-Oberflächen auf einmal Schall erzeugen? Laut Continental bietet das System mehrere Vorteile: Im Vergleich zu einer konventionellen Hi-Fi-Anlage sei es erheblich leichter, kompakter, und es verbrauche weniger Strom. Ein vernünftiges Audiosystem mit Standardlautsprechern wiegt rund 15 Kilogramm, oft auch mehr - die neuartige Musikanlage sei dagegen höchstens ein Kilogramm schwer. Während heutige Highend-Systeme mit bis zu 20 Lautsprechern einen Bauraum von 20 oder gar 30 Litern Volumen beanspruchen, benötige die lautsprecherlose Anlage zudem nur einen Liter. Die Aktuatoren haben etwa die Größe eines Eishockey-Pucks.
Letztlich kommt es bei Audioanlagen aber auf den Klang an - und da will Continental ebenfalls eine hervorragende Qualität erreicht haben. "Sogar Experten, die besonders genau hinhören, sind voll des Lobes für die Akustik unserer unsichtbaren Anlage", sagt Patsouras.
Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich noch nicht nachhören. Continental hat bislang nur einen Prototypen mit dem lautsprecherlosen Soundsystem bestückt, und der steht gut gehütet in der Entwicklungsabteilung. Erst ab 2020, so ein Conti-Sprecher, werde das System voraussichtlich serienreif sein.
Dann soll die Technik vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine in jedem Fahrzeugsegment einsetzbar sein und je nach Wunsch und Kaufkraft unterschiedliche Ansprüche befriedigen. Angefangen von einer Dreikanal-Einsteigeranlage bis zu einem Highend-System mit zwölf Kanälen. Bei Letzterem werden sogar die Vordersitze zu Klangkörpern - mit einer buchstäblich ins Mark gehenden Wahrnehmung der Bässe.
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Ohne Lautsprecher Musik im Auto hören - das funktioniert mit der neuen "Ac2ated" genannten Musikanlage des Zulieferers Continental. Statt herkömmlicher Boxen werden dabei Akuatoren im Autoinnenraum verbaut, die die Oberflächen bestimmter Bauteile in Schwingungen versetzen und so den Klang erzeugen.
Das Auto als Klangkörper - die Inspiration dazu sei vom Funktionsprinzip von Saiteninstrumenten übernommen, heißt es bei Conti. Wie man hört, stellen Akustikexperten dem neuen System bislang beste Noten aus.
Wie entsteht der Klang bei der lautsprecherlosen Anlage? Ein Aktuator regt eine Oberfläche, auf dem Foto beispielsweise die innere Türverkleidung, zu Schwingungen an, die wiederum einen Klang erzeugen. Ähnlich wie der Bogen einer Geige die Saiten in Schwingungen versetzt, die dann vom hölzernen Korpus des Instruments verstärkt werden.
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