
Bizarre Oldtimer-Ausstellung: Träume aus Rost
Bizarre Oldtimer-Ausstellung Rostige Schätze aus dem Keller
"Es war wie in einer anderen Welt." Wenn Heinz Jordan erzählt, was er in den Katakomben des französischen Automobilmuseums im elsässischen Mulhouse zu Gesicht bekommen hat, gerät er immer noch ins Schwärmen: Oldtimer von unschätzbarem Wert stapeln sich dort - versteckt vor der Öffentlichkeit. Das will der Autoliebhaber und Veranstalter von historischen Rennen nun ändern.
Im Mai 2013 eröffnet er eine Ausstellung in Kassel , auf der über 40 von ihnen gezeigt werden. Jordan hat Verständnis dafür, dass die Fahrzeuge - oder besser gesagt, was von ihnen übrig ist - bislang unter Verschluss blieben. Denn Museumsbesucher, die mit blankpolierten Oldtimern rechnen, könnten beim Anblick der geplanten Exponate einen Schreck kriegen.
Bei diesen Autos sind die Reifen platt, die Karosserien verrostet, sie sind unvollständig, dreckig und kaputt. Mit den perfekt gelifteten Oldies, die bei solchen Präsentationen üblicherweise vorfahren, haben sie nichts gemein. "Manche könnten mit ein paar Handriffen zwar wieder zum Laufen gebracht werden", sagt Jordan, "aber von einigen sind nur Fragmente übrig."
In die Pleite gesammelt
Das kostbare Altmetall stammt aus der berühmt-berüchtigten Sammlung der Gebrüder Schlumpf. Hans und Fritz Schlumpf, zwei Elsässer Tuchfabrikanten, scheffelten Mitte des 20. Jahrhunderts mit ihren Unternehmen ein Vermögen. Einen beträchtlichen Teil davon gaben sie für teure Autos aus. Besonders exzessiv war ihre Jagd nach Bugatti-Modellen. "Diese Autos sind alle im Elsass gebaut worden. Dorthin müssen sie auch wieder zurück", soll Fritz Schlumpf gesagt haben.
Die kostspielige Sammelwut der Brüder soll großen Anteil daran gehabt haben, dass ihre Firma Ende der Siebziger pleiteging. Jedenfalls belagerten damals arbeitslos gewordene Angestellte die Villa der Industriellen und besetzten die mit über 400 Fahrzeugen prall gefüllten Garagenhallen. Die Brüder flüchteten in die Schweiz - und ihren Schatz an Autos ließen sie zurück.
Weil die Schlumpfs mit ihrem persönlichen Vermögen für die Firmenpleite einstehen mussten, kamen auch die Nobelkarossen unter den Hammer. Einen Großteil davon sicherte sich ein Konglomerat aus Vertretern der Stadt Mulhouse, der Region Elsass und des französischen Automobilclubs. Aus der Privatsammlung wurde das Musée national de l'Automobile , das 1982 öffnete. Als Ausstellungsräume dienen bis heute die ehemaligen Fabrikhallen des bankrotten Unternehmens.
Staubige Schätze
Heinz Jordan hat gemeinsam mit den Museumsbetreibern aus Frankreich bereits vor drei Jahren eine Ausstellung in Kassel organisiert. Man kannte sich vom Herkules Bergpreis, einem Rennen für historische Fahrzeuge, das Jordan mitinitiiert. Damals rückte das Musée national mehrere Bugattis aus der Sammlung heraus. Im Zuge dieses "freundschaftlichen Verhältnisses", wie Jordan es bezeichnet, wurde ihm auch Zugang zu den Kellerräumen in Mulhouse gewährt.
Dort offenbarte sich für den Autoliebhaber das Paradies: Mehr als 140 Oldtimer, von Maybach über Alfa Romeo bis zu Bugatti. Bedeckt mit Staub, weil dem Museum Geld und Personal für die Instandsetzung fehlt. Jordan war sich trotzdem sicher, dass sie sehenswert sind. Mit einer "Unterhaltung bei ein paar guten Flaschen Wein" habe er auch die Museumsbetreiber von seinem Plan überzeugen können.
Jordan und sein Mitstreiter Dietrich Krahn durften nach eigenen Angaben frei entscheiden, welche der Kellerschätze sie nach Kassel bringen. "Bei unserer Auswahl haben wir darauf geachtet, dass Autos in verschiedenen Zerfallszuständen zu sehen sind." So wolle man eine Diskussion darüber anstoßen, als was die Wracks zu betrachten sind: Als Kulturgüter, die es zu restaurieren gilt? Als Kunstobjekte, die man unberührt lassen sollte? Gar als Schrott?
Ein Silberpfeil, Maseratis - und jede Menge Bugattis
Letzteres dürfte angesichts des historischen Werts der Exponate ausgeschlossen sein. Neben einigen Bugattis werden in der Ausstellung unter anderem ein Peugeot 16 aus dem Jahr 1898, ein Maybach von 1937 und ein Maserati mit Baujahr 1936 zu sehen sein. Auch ein Silberpfeil von 1939, mit dem schon Manfred von Brauchitsch seine Runden drehte, wird in Kassel gezeigt.
Der Ausflug der rostigen Raritäten könnte sich für die Franzosen bezahlt machen. "Es werden Kooperationen mit den Autoherstellern angestrebt, um einige der Autos zu restaurieren", sagt Jordan. Dazu habe man die passenden Gesprächpartner eingeladen - zumindest was die Bugattis betrifft, denn die Marke gehört zum Volkswagen-Konzern: VW-Chef Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch haben ihr Kommen laut Jordan bereits zugesagt.