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Bedrohliche Autos: Böser Blick, großes Maul

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Aggressives Fahrzeugdesign "Manche Autos wirken wie eine geladene Waffe"

Autos sehen oft bedrohlich aus. Mit dem aggressiven Design lockt die Industrie gezielt Fahrer, die Überlegenheit demonstrieren wollen. Das hat Folgen fürs Miteinander im Straßenverkehr.

Audis Kleinwagen A1 hat in diesem Jahr ein grimmigeres Gesicht bekommen. Der Kühlergrill weist sechs statt vier Ecken auf, dazu vermitteln scharfe Schnitte und Luftschlitze eine Angriffslust, die dem zuvor sanfter gezeichneten Wagen fremd war.

"Zu feminin" habe das alte Modell auf die Volkswagen-Konzernherren in Wolfsburg und Salzburg gewirkt, erfuhr das manager magazin. Auch deshalb habe Audi später den Designchef ersetzt.

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Bedrohliche Autos: Böser Blick, großes Maul

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Fast alle Hersteller setzen zunehmend auf ein dominantes Design bei vielen Modellen. Sie versprechen sich höhere Umsätze von Autos, deren Fahrer sich auf der Straße stark und überlegen fühlen. Doch das bringt auch Probleme mit sich.

Lange haben vor allem Sportwagen und andere teure Autos den "bösen Blick" vor sich hergetragen. Inzwischen warten auch Kleinstwagen wie der Toyota Aygo, Familienkutschen wie der Skoda Oktavia oder klassische Premium-Limousinen und SUV mit einschlägigen Merkmalen auf.

Oft erinnert das Antlitz der Autos an Raubtiere oder Monster. Diesen Eindruck vermitteln pfeilförmige Linien, immer größere Kühlergrills und zu Schlitzen verengte Scheinwerfer. Beispielhaft verdeutlicht der VW Golf diese Entwicklung. Erst waren seine Vorderleuchten kugelrund, dann wurden sie zunehmend schmaler. So etwas wirkt dann wie wütende Augen, hat Designprofessor Paolo Tumminelli herausgearbeitet .

Autos als nonverbales Kommunikationsmittel

Gern halten Hersteller große Teile der Frontpartie in Schwarz. Das verstärkt den bedrohlichen Effekt.

"Manche Autos wirken wie eine geladene Waffe - die hoffentlich nie benutzt wird", sagt der Dresdner Verkehrspsychologe Bernhard Schlag. Autos seien ein nonverbales Kommunikationsmittel, mit dem Fahrer anderen Verkehrsteilnehmern drohen könnten.

"Grundsätzlich wirken da archaische Muster", sagt der Pforzheimer Designprofessor Lutz Fügener. "Der Fahrer fletscht die Zähne durch das Design. Das brauchen manche schwache Charaktere."

Menschen zahlen gern für Dominanz

Die Autohersteller wissen das - und bauen ihre Fahrzeuge entsprechend. Dominanz sei ein Wert, für den Menschen gern bezahlen, sagt Psychologe Schlag. "Das schöpfen die Hersteller massiv ab."

Unternehmenslenker wie Audi-Chef Rupert Stadler stehen dazu. "Viele Autofahrer wollen kein rollendes Statement für Zurückhaltung kaufen", sagte der inzwischen wegen des Abgasskandals inhaftierte Manager auf dem Genfer Autosalon 2017. "Sie wollen Produkte, mit denen sie sich identifizieren können."

Den größten Nutzwert hat ein fies dreinblickendes Auto beim Überholvorgang. "Der Fahrer sieht einen Gesichtsausdruck im Rückspiegel, der ihn Platz machen lässt", sagt Fügener. So verstärken manche Autos die Hierarchie im Straßenverkehr.

Schon Kinder verstehen die Botschaft

Auch in der Stadt erzielen furchteinflößende Autos die gewünschte Wirkung. Nähert sich ein solches Fahrzeug, weichen Fußgänger schneller zurück, hat Psychologe Schlag beobachtet. "Der Fahrer fordert offensiv Rücksichtnahme ein. Schon Kinder verstehen das." Radfahrer fahren demnach oft vorsichtiger, wenn ein Wagen mit Fratze herankommt - und fühlen sich womöglich provoziert.

Solange Autofahrer mit ihren Wagen lediglich drohen, ergeben sich allerdings auch Vorteile. "Wenn alle die Signale verstehen, ist ein geregeltes System aus Über- und Unterordnung möglich", sagt Schlag. Dieses habe indes diktatorische Züge. Und sobald Fahrer ihre vermeintliche Überlegenheit durch eine offensive Fahrweise auslebten, werde der Verkehr tatsächlich unfriedlicher.

Ruf nach "neuer Geisteshaltung" bleibt unerhört

Immer wieder haben auch Fachleute aus der Industrie freundlicher aussehende Fahrzeuge angemahnt. "Autos dürfen nicht mehr so aggressiv sein", forderte Volkswagens Ex-Chefdesigner Murat Günak schon 2007  und regte "eine neue Geisteshaltung" an.

Erhört wurde Günak nicht. Bei Volkswagen blickt sogar der Beetle Cabrio reichlich abweisend drein. Dabei mutete sein Vorbild, der Käfer, noch so freundlich an.

Auch BMW hält bis heute wenig von Understatement. "Ein BMW sollte immer so aussehen, als wolle er die Straße vor sich auffressen", sagte Chefdesigner Adrian van Hooydonk im vergangenen Jahr.

Elektroautos bringen keine Designwende

An dieser Einstellung ändert offenbar auch der Vormarsch von Elektroautos wenig. So rücksichtsvoll sich diese gegenüber der Umwelt auch verhalten mögen, so aufdringlich wirken viele Stromer auf der Straße.

Die BMW-Modelle i3 und i8 sind dafür gute Beispiele. Auch Tesla wählte für seine Fahrzeuge den konventionellen Ansatz. Warum auch sollten Hersteller auf dieses Verkaufsargument verzichten, zumal die Batteriewagen oft viel rasanter beschleunigen als Verbrenner?

Autonome Fahrzeuge verändern das Aussehen der Wagen

Dennoch könnte ein Zeitalter sanfterer Autos bevorstehen, erwartet Designer Fügener. Mit dem Vordringen autonomer Fahrzeuge werde sich das Aussehen der Wagen drastisch ändern.

Solange nämlich eine Person das Fahrzeug lenkt, verstöre ein aggressives Design andere Verkehrsteilnehmer nicht zu extrem. "Hinter jeder Windschutzscheibe sitzt ein Mensch. Das mildert den Eindruck ab."

Ohne Fahrer sei das ein riesiger Unterschied. Ein gefährlich ausschauender Roboter auf Rädern überfordere die menschliche Psyche, sagt der Designer. Diese würde dann in etwa schlussfolgern: "Wenn in einem Darth-Vader-Kostüm kein Mensch steckt, dann ist es vermutlich Darth Vader." So viel Angst und Schrecken werde jedoch kein Hersteller verbreiten wollen.

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