Trumps Drohungen gegen Autoindustrie in Mexiko Aus der Traum?

US-Präsident Donald Trump hat gedroht, Autos aus mexikanischer Produktion mit hohen Einfuhrsteuern zu belegen. Die Branche ist in Aufruhr, denn Mexiko ist inzwischen siebtgrößter Autoproduzent der Welt.
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Es ist noch nicht so lange her, da brachte die dortige Automobilindustrie Mexiko zum Träumen. Die Investitionen großer Fahrzeughersteller strömten nur so ins Land, insgesamt flossen seit 2010 über 20 Milliarden Dollar. Parallel dazu stieg die Fahrzeugproduktion Jahr für Jahr an. Mexiko als der Autostandort - das war die Vision.

2016 legte das Produktionswachstum erneut zu, um zwei Prozent auf 3,47 Millionen Einheiten im Vergleich zum Vorjahr. "Wir sind der weltweit siebtgrößte Automobilproduzent und der viertgrößte Autoexporteur", sagt Eduardo Solís, der Präsident des mexikanischen Herstellerverbands Asociación Mexicana de la Industria Automotriz (AMIA).

Dem neuen US-Präsidenten Donald Trump gefällt das gar nicht. Noch vor seiner Amtseinführung forderte er Strafzölle für Fahrzeuge aus mexikanischer Produktion, die Rede war von 35 Prozent. "Buy american!", dazu rief Trump seine Landsleute in seiner ersten Rede als Präsident auf.

Das Beispiel der Autoindustrie zeigt: die Welt ist komplexer, als Trump suggeriert

Mexikos Rolle als Niedriglohnstandort für die US-Industrie hat eine lange Tradition. Buick und Ford fertigen seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Autos in dem lateinamerikanischen Land. VW war ab 1964 erster deutscher Autoproduzent vor Ort; im vergangenen Jahr baute VW in Mexiko rund 390.000 Autos. Heute ist Mexiko ein Hotspot der Branche. Viele große Hersteller und Zulieferer produzieren hier, es gibt 19 Fahrzeugfabriken, weitere sind im Bau.

Daimler und Renault-Nissan errichten derzeit ein Gemeinschaftswerk, in dem ab 2018 die Mercedes-Kompaktklasse vom Band rollen soll. BMW baut ein Werk in San Luis Potosí, wo ab 2019 der BMW 3er gebaut werden soll. Auch Toyota will 2019 ein neues Werk in Betrieb nehmen. Und die VW-Tochter Audi hat erst im vergangenen Herbst ein Werk in Mexiko eröffnet.

Es ist einer von zwei globalen Produktionsorten, an dem das SUV-Modell Q5 produziert wird. Einer ist in China für den chinesischen Markt, der andere eben im mexikanischen San José Chiapa, dort wird der Q5 für alle anderen Märkte außer China gebaut. Für die USA zum Beispiel, aber auch für Deutschland.

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Autoindustrie in Mexiko: Furcht um den Vorzeigesektor

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Mexiko entwickelt sich damit immer mehr zu einem global exportierenden Wunschstandort vieler Firmen. Das liegt an der günstigen geografischen Lage, sowie an der hohen Produktionsqualität bei zugleich niedrigen Löhnen. Ein Autowerker in Mexiko verdient durchschnittlich umgerechnet acht Dollar die Stunde (7,48 Euro). In den USA bei GM verdient er im Schnitt rund 58 Dollar, in Deutschland liegt der Lohn für derlei Tätigkeiten bei umgerechnet 52 Dollar.

Man muss kein Wirtschaftsstudium absolviert haben, um zu begreifen, warum es in Mexiko einen Autobauboom gibt. AMIA-Präsident Eduardo Solís sah sein Land schon in der Liga der ganz Großen mitspielen. "2020 können wir fünf Millionen Autos produzieren", prognostizierte er vor einem Jahr. Jetzt hat Trump diese Euphorie gebremst.

Sein Groll hat wohl damit zu tun, dass mehr als drei Viertel der im Land produzierten Autos ins Ausland gehen - viele davon in die USA. Und ja, im vergangenen Jahr betrug der US-Anteil am Fahrzeugexport laut AMIA 77 Prozent. Doch die Wahrheit ist: Gerade die USA profitieren vom Mexiko-Boom der Autobranche.

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Globale Produktion: Diese Modelle werden in Mexiko gebaut

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Erstens stammen zwei der drei meistverkauften Pkw in Mexiko vom US-Hersteller Chevrolet. Und zudem werden etliche Komponenten für die Autoproduktion in Mexiko von Zulieferfirmen in den USA gefertigt. Zwischen beiden Ländern hat sich eine komplexe Arbeitsteilung etabliert.

Die mexikanischen Werke könnten nicht ohne die USA fertigen - und die Teilehersteller in den USA nicht ohne den Abnehmer Mexiko leben. 40 Prozent ihrer Autoteile exportieren die US-Firmen ins südliche Nachbarland. Daran hängen in den USA grob geschätzt 30.000 Arbeitsplätze.

Ein in Mexiko hergestelltes Fahrzeug ist also in Wahrheit eines, das zu einem hohen Anteil ein US-Auto ist. Die Kritik von Trump zeugt daher von Unkenntnis der Realitäten oder verkennt die Umstände der Automobilproduktion in Nordamerika. Diese Produktionsketten zu zerschlagen, wäre auch für die US-Autoindustrie, die ohne mexikanische Löhne nicht so preiswert produzieren könnte, ein schwerer Schlag.

Wider besseres Wissen kuschen die Hersteller in diesem aufgeheizten Klima. Wohl wegen Trumps Importzoll-Drohung reagierte bereits der Autobauer Ford und stoppte eine 1,6 Milliarden-Dollar-Investition in San Luis Potosí im Zentrum des Landes, wo ursprünglich ein neues Werk für Kleinwagen gebaut werden sollte. Allerdings wäre durch diese Maßnahme kein einziger Arbeitsplatz von den USA nach Mexiko verlagert worden.

"Die Zeche zahlt der US-Verbraucher"

Am Tag der Amtsübernahme von Trump übte sich AMIA-Präsident Solís trotzdem in Optimismus: "Ich weiß von keinem anderen Hersteller als Ford, der einen Rückzieher machen will." Mexiko habe alles, um weiterhin erfolgreich zu sein, sagte er. "Den Firmen werden hier alle Wünsche erfüllt." Zudem sei der Automobilsektor der wichtigste Devisenbringer des Landes: "55 Milliarden Dollar netto Gewinn und 100 Milliarden Dollar Exportvolumen nur im vergangenen Jahr".

Was würde passieren, wenn US-Präsident Trump das bisherige Geschäftsmodell der nordamerikanischen Autobranche mit neuen Einfuhrzöllen durcheinanderbringen würde? "Derartige Zölle wären das Ende der Freihandelszone NAFTA, und das könnte möglicherweise einen globalen Handelskrieg nach sich ziehen", sagt Stephan Keese, Partner und Autospezialist bei der Unternehmensberatung Roland Berger. "Eine weitere Konsequenz wäre, dass Autos in den USA teurer würden. Die Zeche würden also die US-Verbraucher zahlen."

Denn ein etwaiger Strafzoll würde nicht nur Importfahrzeuge, sondern auch Pkw "Made in USA" verteuern. "Der letzte US-Präsident, der so etwas versuchte, war 1980 Ronald Reagan", sagt Autoanalyst Keese. Damals wurde Japan zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung der Autoeinfuhr genötigt, doch in der Folge wurden nicht nur die japanischen Autos teurer, sondern auch die US-Hersteller zogen die Preise an. Keese: "Am Ende kosteten alle Fahrzeuge damals im Schnitt tausend Dollar mehr."

Mitarbeit: Jürgen Pander, Christian Frahm

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