Einparksysteme im Test Einfach mal loslassen
"Einparken ist ein gewisser Horror." Gerhard von Bressensdorf muss es wissen, er ist schließlich Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Und kaum ein Autofahrer wird ihm da widersprechen: Lücke finden, Auto in Position bringen, einschlagen, umschauen, Bordstein beachten, Gas geben, nicht zu viel und nicht zu wenig, bremsen, und das womöglich noch vor Zuschauern, ein vollbesetztes Straßencafé, oder während sich hinter einem der Verkehr staut - das gibt schon mal Schweißflecken im Hemd. Ein bisschen Hilfe kann da nicht schaden. Viele Hersteller stellen ihren Kunden deshalb einen Einparkassistenten zur Seite. Der erledigt die Schwerstarbeit auf Knopfdruck.
Automatische Einparksysteme sind zwar keine Neuheit mehr, aber sie haben immer noch den Charme eines Zaubertricks. Der Show-Effekt ist auch einfach unwiderstehlich: Der Fahrer kann die Arme hinterm Kopf verschränken und muss nur ein bisschen die Füße heben und senken - und schon steht er samt Fahrzeug korrekt in der Parklücke.
Piep, Piep, Piep - dein Hintermann hat dich lieb
Das funktioniert so: Zunächst muss man nur dicht und langsam genug am Straßenrand vorbeifahren, in der Regel mit etwa 30 km/h. Hat der Parkpilot eine Lücke entdeckt, macht er sich bemerkbar. Bei BMW und Mercedes erscheint zum Beispiel ein Pfeil auf dem Display und zeigt nach links oder rechts auf den freien Platz, bei Ford ertönt ein kurzes Geräusch. Nun gibt es Anweisungen, ebenfalls abzulesen auf dem Bildschirm.
Mit der Aufforderung, den Rückwärtsgang einzulegen, geht es los, jetzt gibt man sachte Gas und behält das Umfeld im Auge, während das Lenkrad unterdessen von alleine wirbelt und das Auto in die Lücke zirkelt. Rechtzeitig bremsen ist kein Kunststück: Per Kamera sieht man den Hintermann, außerdem warnt ein Piepsgeräusch vor einem Rempler - je mehr der Abstand schrumpft, desto hektischer.
Steht man dann noch nicht ordnungsgemäß da, bittet das System noch mal darum, in den Vorwärtsgang zu schalten. Man erfüllt ihm den Gefallen, sieht wieder, wie das Lenkrad sich vorm Bauch dreht, tippt dabei aufs Gas und bremst schließlich. Ist die Vorstellung beendet, erscheint auf dem Display die Erfolgsmeldung - der Parkvorgang ist abgeschlossen.
Einparken per App
"Einparken ist ein sehr präzises Manöver", sagt von Bressensdorf - und die Autobauer und -zulieferer haben dafür eine präzise Technik entwickelt. Sie bedient sich der Servolenkung und einer Ultraschall-Sensorik. Die Ultraschallsensoren an der Stoßstange und an der Fahrzeugseite messen die Größe der Parklücke aus, erkennen Hindernisse und liefern der elektronischen Servolenkung Daten, anhand derer der Einschlagwinkel für das Lenkrad berechnet wird. Die Umsetzung findet in Sekundenbruchteilen statt - so, dass man flüssig in die Parklücke reinfährt.
Moderne Systeme schaffen es, das Auto durch mehrere Züge auch in engere Parkplätze zu bugsieren. Damit der Assistent das Manöver bewältigen kann, müssen sie in der Regel zwischen 80 und 120 Zentimeter größer sein als das Fahrzeug. Stoßstange an Stoßstange kann die Automatik aber nicht parken - bei den wirklich sportlichen Herausforderungen sind weiterhin Augenmaß und Händchen des Fahrers gefragt.
Die meisten automatischen Systeme können auch nur seitwärts parken - um rückwärts in querliegende Lücken zu stoßen, müssen mehr Ultraschallsensoren eingebaut werden. Und die sind teuer. Außerdem fällt vielen Autofahrern das Quereinparken leichter als Seitwärtsparken. Die größte Herausforderung liegt hier oft darin, ohne Verrenkungen aus dem Auto aussteigen zu können, weil sich die Türe nur einen Spalt breit öffnen lässt. Aber auch dafür ist eine Lösung in Sicht: man steigt einfach schon vor dem Einparken aus. Ein bisschen Science Fiction - das Auto parkt von ganz allein.
Rempeln kann nur der Mensch
Zu sehen war das schon auf der Automobilmesse IAA im vergangenen Jahr. Dort hat das Technologieunternehmen Valeo einen Prototypen des Systems Park4U vorgestellt. Zum Einparken braucht man dann nur noch einen Finger: per Smartphone-App erteilt man dem Wagen den Befehl, sich in die Lücke einzuordnen - und der gehorcht, trotz verwaistem Fahrersitz.
"Wir stehen mit einigen Herstellern in Kontakt", sagt Harald Barth, Produktmanager bei Valeo. Wann Park4U in Serie geht, stehe aber noch nicht fest. "Dazu müssen die Gesetzgeber noch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen", so Barth. "Die Frage, wer die Verantwortung trägt, ist noch nicht endgültig geklärt."
Den Zukunftsvisionen eines cleveren Autos steht eine Verordnung aus dem Jahr 1968 im Weg. Damals wurde in Wien das Übereinkommen über den Straßenverkehr getroffen. In Artikel 8 heißt es da: "Jedes Fahrzeug muss, wenn es in Bewegung ist, einen Führer haben." Valeo macht das Auto aber führerlos - zumindest beim Einparken. Für die Entwickler kann es da nur eine gute Nachricht gewesen sein, als das autonome Auto von Google vor kurzem die Straßenzulassung erhalten hat.
Bei den halbautomatischen Systemen steht jederzeit der Fahrer in der Pflicht, ein Parkrempler lässt sich nicht auf die Technik schieben. Barth macht deutlich, dass sich das nicht ändern wird und zieht einen Vergleich zur Seefahrt: "Der Fahrer entwickelt sich weg vom Steuermann und hin zum Kapitän. Damit hat er aber immer noch die Verantwortung, auch wenn er nicht auf der Brücke ist."
Gerhard von Bressensdorf kann da nur beipflichten. Und er weist darauf hin, dass selbst ein halbautomatischer Parkassistent etwas Übung bedarf: "Man darf das Umschauen nicht vergessen und muss aufpassen, beim Rangieren nicht in den fließenden Verkehr zu stoßen." Von der Leistungsfähigkeit der Systeme ist er "grundsätzlich begeistert". Aber er erinnert daran, dass die Technik auch mal streiken kann. Deshalb rät von zu viel Bequemlichkeit ab: "Man sollte das manuelle Einparken nicht vernachlässigen und immer mal wieder probieren."