Automotive X Prize Die grünste Rallye der Welt
Craig Henderson wähnt sich bereits auf dem Siegertreppchen. "Eine Top-Plazierung ist uns sicher", tönt der Tüftler aus Bellingham im US-Bundesstaat Washington. Angesichts des beeindruckenden Feldes an Konkurrenten klingt das verwegen. Doch Henderson und sein Flitzer namens Avion haben schon einmal bewiesen, was sie können: 1984 fuhr der gelernte Fahrzeugmechaniker zusammen mit seinem Kompagnon Bill Green von Vancouver bis Mexiko. Der Durchschnittsverbrauch je hundert Kilometer lag damals bei 2,27 Litern - das reichte für einen Eintrag ins Guinness-Buch.
Jetzt möchte Henderson den Automotive X Prize gewinnen, eine grüne Rallye quer durch Nordamerika. Im Herbst 2009 geht es los. Die magische Marke, die es zu unterbieten gilt, sind 100 Meilen pro Gallone. Das entspricht 2,35 Litern auf 100 Kilometer. "Mehr als 50 Teams werden antreten", sagt X-Prize-Managerin Cristin Lindsay.
Die hohe Siegprämie und die Publicity locken eine Menge Interessenten an - darunter vor allem Bastler, Tüftler und Visionäre. Der Musiker Neil Young will mit einem 59er Lincoln Continental (Lincvolt) antreten, der von einem Hybrid-Wankelmotor angetrieben wird. Die Firma Aptera aus Kalifornien schickt ein besonders aerodynamisches Fahrzeug ins Rennen, das auch aus der Zeichentrickserie "Die Jetsons" stammen könnte. Und die mysteriöse Air Ship Technologies Group aus Oregon behauptet, ihr umgebauter Delorean (bekannt aus "Zurück in die Zukunft") werde dank einer neuartigen Magnettechnologie der Konkurrenz enteilen. Nicht alle, die mitmachen möchten, haben bereits offiziellen Teilnehmerstatus - auf die X-Prize-Web-Seite kommt nur, wer die Jury überzeugt.
Das Vorbild heißt Charles Lindbergh
Das Konzept hat sich der New Yorker Peter Diamandis ausgedacht. Es funktioniert so: Man definiere ein Problem, lobe einen Haufen Bares aus - und warte auf die beste Lösung. Derzeit gibt es neben dem Auto-Wettbewerb auch Preise für Raumfahrt und Genetik. Dabei dreht es sich nicht nur ums Geld. "Es geht den Teilnehmern um die Lust am Wettbewerb, den Ruhm und den Dienst an der Menschheit", sagte Diamandis dem "Harvard Business Review" Das Urkonzept stammt von Raymond Orteig. Der Franzose lobte 1919 für den ersten transatlantischen Flug 25.000 Dollar aus. Acht Jahre später kassierte Charles Lindbergh die Prämie.
Der Automotive X Prize erinnert ein wenig an den Film "Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten". Teilnehmer aus aller Welt werden in diese und im kommenden Jahr mit ihren teils wunderlichen Vehikeln verschiedene Rennen absolvieren. "Wir werden das ganze Spektrum realer Fahrbedingungen abprüfen - Bergtouren, Langstrecken, Stadtfahrten", sagt Cristin Lindsay. Die Messungen würden von unabhängigen Sachverständigen durchgeführt.
Ein einzelnes Spritsparauto zusammenzuzimmern und damit quer durch die USA zu fahren, reicht allerdings nicht. Alle Teilnehmer müssen bis zum Herbst einen Geschäftsplan vorlegen - und dokumentieren, dass sich ihr Fahrzeug auch in Serie fertigen ließe. Mindestens 10.000 Einheiten pro Jahr seien Bedingung, so Lindsay. Schließlich sei es das Ziel, einen Technologiesprung zu schaffen "und die Autoindustrie zu transformieren". Wie viele der Teilnehmer tatsächlich ein realistisches Konzept vorlegen können, ist unklar.
Unterstützung von Hawking und Bloomberg
Zu den Favoriten zählt neben Avion der Aptera aus Carlsbad. Das kalifornische Unternehmen hat bereits erhebliche Finanzmittel in Forschung und Serienfertigung investiert und verfügt über voll funktionsfähige Prototypen. "Das ist ein sehr interessantes Gefährt", sagt Fahrzeugtechniker Henderson. "Die brauchen das Preisgeld nicht. Aber die Publicity ist natürlich unbezahlbar." Schon jetzt scheint klar, dass der Automotive X Prize ein gigantisches Medienspektakel wird. Seit Microsoft-Mitgründer Paul Allen im Jahr 2004 mit dem SpaceShipOne den X Prize für den ersten privaten Suborbitalflug einheimste, ist Diamandis ein Star. Stets hat er bei seinen Auftritten Technologie-Promis im Schlepptau, etwa Google-Gründer Sergey Brin oder Physik-Nobelpreisträger Stephen Hawking. Beim offiziellen Start des Automotive X Prize im April 2008 war New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg mit von der Partie.
Craig Henderson feilt derzeit noch an seinem Avion. Das Aluminiumchassis wird derzeit überprüft, den alten VW-Motor hat er gegen den Dreizylinder-Diesel aus einem Smart ausgetauscht. Bei den letzten Testfahrten habe das Auto nur knapp zwei Liter verbraucht, sagt Henderson. Ob ihn der X Prize zum Star der grünen Auto-Revolution macht? Der Bastler ist skeptisch: "Als wir '86 unseren Guinness-Rekord aufstellten, waren wir zehn Tage lang ziemlich berühmt, unsere Fotos waren in allen Zeitungen. Danach hat sich kein Mensch mehr für den Avion interessiert.