Autonomes Fahren Regierung beschließt Autopilot-Gesetz

Autonomes Fahren ist eine Schlüsseltechnologie beim Mobilitätswandel - bisher war es allerdings, juristisch gesehen, verboten. Nun hat die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das alles regeln soll. Wichtige Fragen bleiben aber unbeantwortet.
Autonom fahrendes Versuchsfahrzeug

Autonom fahrendes Versuchsfahrzeug

Foto: Audi

Der Weg in die automobile Zukunft ist frei. Oder doch nicht? Erstmals hat die Bundesregierung Regelungen für selbstfahrende Autos auf den Weg gebracht - eine der Schlüsseltechnologien in punkto Mobilitätswandel. Das Kabinett beschloss am Mittwoch Regelungen zum sogenannten autonomen Fahren.

Kern des Gesetzes ist die rechtliche Gleichstellung von menschlichem Fahrer und Computer. Hoch- oder vollautomatisierte Fahrsysteme dürfen damit künftig die Fahraufgabe selbstständig übernehmen.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist angesichts des Beschlusses regelrecht euphorisch. "Das automatisierte Fahren ist die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils", jubelte er nach der Abstimmung. "Dafür schaffen wir jetzt das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt."

Lieber nicht zu konkret werden

Der Fahrer darf dem Gesetz zufolge bei der hochautomatisierten Fahrt die Hände vom Lenker nehmen, um etwa im Internet zu surfen oder E-Mails zu checken. Eine Rückübernahme der Fahrzeugsteuerung durch den Fahrer sei nur dann vorgeschrieben, wenn das System ihn dazu auffordert.

Genau an dieser Stelle aber scheiden sich schon die Geister bei der Interpretation des Gesetzestextes. Für Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist die jetzige Fassung viel zu unkonkret: "Dass sie als Fahrer E-Mails checken dürfen oder im Internet surfen, steht eben nicht im Entwurf. Es gibt keine Definition der erlaubten Tätigkeiten. Stattdessen gibt es eine Definition der Pflichten für Fahrer, die alles andere als kundenfreundlich ist."

Gemeint ist Paragraph 1 b des Gesetzestextes: "Der Fahrzeugführer ist verpflichtet, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen". Im Klartext: Der Fahrer muss eben doch das Verkehrsgeschehen beobachten oder die Funktion des Autopiloten überwachen und im Ernstfall das Steuer übernehmen.

"Erhebliche Rechtsunsicherheit für die Verbraucher"

Wichtige Dinge, wie zum Beispiel die Übergabezeit, also die Zeitspanne, die der Fahrer eingeräumt bekommt, um im Ernstfall das Steuer wieder zu übernehmen, werden im Gesetzestext hingegen nicht definiert. "Genauso wenig, was in dieser Zeitspanne, in der das Auto weiter autonom fahren und auf möglicherweise komplexe Vorgänge reagieren muss, passiert", so Kühn. Für ihn ist die Sache klar: "Verkehrsminister Dobrindt hat beim Gesetzesentwurf zum automatisierten Fahren nur die Interessen der Automobilhersteller im Blick. Mit dem Gesetz lädt Dobrindt die Haftungsrisiken auf die Autofahrer ab und schafft erhebliche Rechtsunsicherheit für die Verbraucher".

Die Frage, wer bei einem Unfall haftet, ist zentral für den Erfolg des autonomen Fahrens - und weiter unscharf beantwortet. Dafür definiert das Gesetz eine umfassende Überwachung, mit deren Hilfe im Ernstfall festgestellt werden soll, wer wann wie das Auto fuhr. Eine sogenannte Blackbox soll aufzeichnen, wann das System aktiv war, wann der Fahrer fuhr und wann das System den Fahrer aufforderte zu übernehmen.

Ob sich Kunden für eine teure Technologie entscheiden, die ihnen Entlastung verspricht, aber sie am Ende doch nicht aus der Verantwortung entlässt, bleibt abzuwarten. Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband sieht den Beschluss kritisch. Die Verbraucherschützer hatten im Dezember großen Änderungsbedarf beim Entwurf angemeldet und feiern nun zumindest einen Teilerfolg: "Die Kritik des Verbraucherzentrale Bundesverbands wurde teilweise gehört. Für die Einhaltung der Straßenverkehrsregeln ist nun der Hersteller verantwortlich. Er muss beispielsweise sicherstellen, dass der Autopilot Geschwindigkeitsbeschränkungen erkennt", heißt es in einem Statement.

Gleichzeitig wird die nicht endgültig geklärte Haftungsfrage bemängelt: "Nicht der Fahrer, sondern der Hersteller muss für Unfälle haftbar gemacht werden, die der Autopilot verursacht. Der Gesetzentwurf sieht das bisher nicht vor."

mhe/mit Material von Reuters

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