

Von der Plantage auf die Plattform: In modernen Autos stecken im Durchschnitt fünf bis sieben Kilogramm Naturfaserwerkstoffe. Ersatzradmulden werden zum Beispiel aus Bananenfasern gebaut, in Sitzlehnen stecken Flachs-, Hanf- und Kokosfasern, verarbeitete Olivenkerne kommen bei der Tankentlüftung zum Einsatz und Baumwolle und Sisal in Dämmplatten. Beim Prototyp Eco Elise von Lotus wurden sogar ganze Karosseriebauteile und der Spoiler aus einem Verbundstoff mit Hanffasern hergestellt.
Die Vorteile dieser Materialien: geringes Gewicht und eine hohe passive Sicherheit, da die Teile stumpf abbrechen und keine scharfen Kanten bilden. Außerdem lassen sich Hanfkomponenten umweltschonend wiederverwerten. Trotzdem hat sich die Verwendung von Naturfasern im Autobau bisher nicht durchgesetzt.
"Bauteile aus natürlichen Verbundwerkstoffen sind noch zu teuer, um sie auf dem Massenmarkt anzubieten", erklärt Hans-Bernhard von Buttlar, Agrarwissenschaftler bei der Ingenieurgemeinschaft für Landwirtschaft und Umwelt in Göttingen. Es gibt in Europa einfach zu wenige Firmen, erklärt er, die Hanffasern und Harz passend verarbeiten und die Autoindustrie beliefern können. Die benötigt vor allem lange Matten aus den Rohmaterialien.
Außerdem erfüllt der Naturfasereinsatz nicht die hohen Anforderungen, die an viele Autobauteile gestellt werden. Die Biokomponenten normgerecht zu optimieren würde sie noch teurer machen, sagt von Buttlar. "Natürlich forschen die Autohersteller in diesem Bereich. Allerdings wird das Potential längst nicht genutzt, weil keine zwingende Notwendigkeit besteht."
Henry Ford und die Marihuana-Steuer
"Naturfasern bleibt vorerst nur die Nischenanwendungen", glaubt auch Klaus Dippon, Geschäftsführer der Firma Biocomposites and More in Ipsheim. Er beschäftigt sich schon seit langem mit der Herstellung von Verbundwerkstoffen. "Vor etwa 15 Jahren noch war das Interesse an Naturfasern für den Automobilbau sehr groß, und die EU vergab Subventionen an forschende Unternehmen", erinnert sich Dippon. Inzwischen sind die Gelder gestrichen, von den ehemals sechs Nutzhanfbetrieben in Deutschland ist nur ein einziger übriggeblieben.
Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn der legendäre Autobauer Henry Ford vor mehr als 70 Jahren einen speziellen Prototyp zur Vollendung gebracht hätte. Ford stellte 1941 in Dearborn das sogenannte Hemp-Car (Hanf-Auto) vor. Auf einen klassischen Stahlrahmen waren bei dem Modell insgesamt 14 Karosseriebauteile konstruiert, die aus einem mit Harz versetzten Gemisch aus Hanf- und Sojafasern bestanden.
Der Wagen wog nur 900 Kilogramm und damit rund ein Drittel weniger als ein damals herkömmliches Auto. Die Karosserie, auf die Ford das US-Patent 2.269.452 erhielt, war außerdem deutlich stoßfester als Modelle aus Stahlblech. Ford tönte gar, das Auto könne sich überschlagen, ohne dabei auseinanderzubrechen.
Das Hemp-Car galt zunächst als revolutionäre Erfindung, doch weiterentwickelt wurde es nie. Ein Grund war der bereits 1937 verabschiedete "Marihuana Tax Act", der Hanf in den USA extrem teuer und den Anbau im industriellen Stil unrentabel machte. Starke Lobbygruppen, unter anderem die Firma Dupont, die damals die aus Erdöl gewonnene Kunstfaser Nylon auf den Markt gebracht hatte, sowie etliche Ölfirmen und Papierhersteller, unterstützten die Hanfbesteuerung.
Womöglich erlebt "das Auto, das auf dem Acker wächst" künftig aber doch noch eine Renaissance. Schließlich lassen sich Biowerkstoffe für den Leichtbau verwenden. Der ist vor allem bei Elektroautos wichtig, damit sie energiesparender fahren können. Wenn Ende 2013 zum Beispiel das E-Mobil BMW i3 auf den Markt kommt, wird es nicht nur ein Alu-Chassis und eine Karbon-Karosserie haben, sondern auch eine Instrumententafel und Türverkleidungen aus Naturfasern.
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Ford Hemp Car: Der hellgrau lackierte Prototyp von Ford, dessen Karosserie im Wesentlichen aus Bauteilen besteht, die aus Soja- und Hanffasern in Verbindung mit Harz hergestellt sind. Die Festigkeit des Naturwerkstoffs soll um ein Vielfaches größer gewesen sein als die von herkömmlichem Stahlblech. Dennoch wurde das Projekt nicht weiter verfolgt und der Prototyp später zerstört.
BMW i3: Der Elektro-Stadtwagen von BMW, der Ende dieses Jahres auf den Markt kommen soll, wurde unter der Prämisse größtmöglicher Nachhaltigkeit entwickelt. Unter anderem kommen im Innenraum - an Türverkleidungen und an der Armaturentafel - erstmals Bauteile aus Naturfaserwerkstoff zum Einsatz, die lediglich mit Klarlack überzogen sind.
Bus-Frontpartie: Das Bauteil oberhalb des Kennzeichens an diesem Linienbus besteht aus einem Hanffaser-Verbundstoff. Hans-Bernhard von Buttlar (Foto) war an dem Praxistest eines Hanfbauteils beteiligt.
Ohne Beanstandung: Das Karosserieteil aus Hanffaser-Verbundstoff bestand den Test im Alltagsverkehr ohne Beanstandung. Bis zu einer Serienfertigung solcher Karosseriebauteile kam es jedoch bis heute nicht - vor allem aus Kostengründen.
Rohmaterial: So sieht die Hanffasermatte aus, ehe sie mit Harz getränkt und dann in der jeweils gewünschten Form ausgehärtet wird.
Gut sichtbar: Der für die leichte Bauweise berühmte britische Sportwagenhersteller Lotus stellte auf der London Motorshow im Sommer 2008 den Prototyp des Sportwagens Elise mit einer Karosserie aus Hanffaserbauteilen vor. Um die Güte des Materials zu demonstrieren, wurde ein Teil der Bauteile lediglich mit Klarlack überzogen.
Ökologisch und glatt: So konsequent wie Lotus hat in den vergangenen Jahren kein anderer Hersteller an einem Hanf-Auto gearbeitet. Doch auch das britische Experiment hatte für die weitere Entwicklung in der Autoindustrie bislang noch keine Auswirkungen.
Alles Banane: In der Abdeckung für die Ersatzradmulde in der früheren Mercedes-A-Klasse kamen unter anderem Fasern der Abaca-Banane zum Einsatz. Die Stuttgarter ließen sich das Material - eine Mischung aus Polypropylen-Thermoplast mit Bananenfasern - im Jahr 2002 patentieren.
Natur im Auto: Auf diesem Bild ist zu sehen, wie viele Komponenten aus Naturfasern, darunter Wolle, Flachs, Hand, Sisal - in einer Limousine der Mercedes E-Klasse aus dem Baujahr 2003 zum Einsatz kamen.
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