
Genfer Automobilsalon: Stunde der Optimisten
Autosalon in Genf Die große Show der Optimisten
Der Kick der wieder florierenden Wirtschaft treibt vor allem die Autobranche voran. Als ob es dazu noch eines Symbols bedurft hätte, traten zur Mercedes-Pressekonferenz auf dem Autosalon in Genf gleich sieben Spielerinnen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an, um Konzernchef Dieter Zetsche sportlich-attraktiv einzurahmen. "Wir wollen dieses Jahr zum besten in unserer Geschichte machen", rief Zetsche ins Auditorium. Ein erneuter Weltmeistertitel der Frauen-Mannschaft, die ebenfalls wie die Männer-Auswahl des DFB unter dem Zeichen des Mercedes-Sterns kickt, käme da gelegen.
Geradezu euphorisch feiern viele Hersteller ihre Erfolge auf dieser ersten großen europäischen Automesse des Jahres 2011. Wenig bescheiden tritt zum Beispiel die Führungsriege des VW-Konzerns auf, die noch immer ganz berauscht scheint, vom Rekordergebnis des vergangenen Jahres mit weltweit 7,2 Millionen verkauften Autos. Doch mit dem Rückblick allein hält sich VW-Boss Martin Winterkorn gar nicht auf. Er stellt die aktuellen Erfolgsmeldungen in den Vordergrund: Bereits in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres seien 1,2 Millionen Pkw der VW-Konzernmarken abgesetzt worden, erklärte er. Auch BMW-Chef Norbert Reithofer meldete mit "mehr als 210.000 ausgelieferten Fahrzeugen im Januar und Februar" den stärksten Jahresauftakt der Firmengeschichte.
Der Optimismus gründet sich nicht allein auf viel versprechende Wirtschaftsdaten, sondern auch auf eine Fülle neuer Modelle, die in Genf erstmals gezeigt und in Kürze auf den Markt kommen werden. Bei VW etwa das neue, bügelfreie Golf Cabriolet oder der sparsame Multivan Bluemotion, der lediglich 6,4 Liter Diesel je 100 Kilometer verbrauchen soll. Konzerntochter Audi zeigt das erste moderne Hybrid-Serienmodell der Marke, den SUV Q5 und Lamborghini trumpft mit einem der Stars der Messe auf, dem neuen Topmodell Aventador mit 700-PS-Zwölfzylindermotor und Karbonkarosserie, was in Kombination eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,9 Sekunden ermöglicht.
Wichtige Umsatzbringer der kommenden Jahre dürften auch Genf-Neuheiten werden wie der Mercedes SLK oder das C-Klasse Coupé, der Porsche Panamera Hybrid. Autos wie der Jaguar XRK-S, der Lancia Ypsilon, der Fiat Freemont, der Hyundai i40, der Saab 9-5 Kombi oder die Kia-Modelle Rio und Picanto spielen gemessen an den Stückzahlen zumindest in Deutschland keine so große Rolle - gleichwohl stellen sie für die jeweiligen Hersteller wichtige Stützpfeiler ihrer Modellpalette dar. Eingeschränkt gilt das auch für den Opel Ampera mit Elektromotor und Range Extender, der das Image von Opel entscheidend verbessern soll.
Sodann sonnen sich auf den Messeständen zahlreiche Prototypen und Studien im Scheinwerferlicht, die für die Jahre 2012 oder 2013 avisiert sind, etwa der neue Opel Zafira, der Minivan Ford B-Max, der nächste Audi A3, der hinreißende Alfa Romeo 4c der Seat IBX, der Mazda Minagi, der Subaru Impreza sowie der Toyota FT-86 II, der vermutlich als neuer Celica auf die Straße kommen wird.
Ein Zeichen für den frischen Schwung auf den Automärkten ist auch die rege Aktivität bei den Tunern und Kleinserienherstellern. Mansory, Abt, Koenigsegg, Pagani und Gumpert beispielsweise trumpfen mit neuen Extremsportwagen für jeweils mehrere hunderttausend Euro auf. Und dann wurde natürlich auch das neue Ferrari Topmodell FF noch einmal offiziell enthüllt, sozusagen der Antipode zum zackigen Lamborghini: Ein elegantes Gran-Turismo-Kombi-Coupé gezeichnet von Pininfarina und, logisch, mit Zwölfzylindermotor. Automobiler Luxus der klassischen Art scheint noch immer ein höchst lukratives Geschäft.
Natürlich ist auch "grüne Mobilität" ein wichtiges Thema der Messe - zumindest wird es von allen, die um Aufmerksamkeit buhlen, bemüht. Wo immer man eine vermeintliche Tankklappe einer Studie öffnet, findet sich darunter eine Strombuchse. Das ist beim Smart Forspeed so und auch beim Rolls-Royce 102 EX. Noch will allerdings keiner der Verantwortlichen offen über die Chancen für eine Serienfertigung spekulieren.
Während die Zukunft der elektrisch angetriebenen Konzeptfahrzeuge also noch in den Sternen steht, wirkt sie eines anderen Salonstars schon konkreter. Der VW Bulli, ein 3,99 Meter langer Minivan im Stile eine geschrumpften VW-Busses und mit einem 3+3-Sitzkonzept, wie man es noch aus dem glücklosen Fiat Multipla kennt, wird wohl ab 2014 mit Komponenten des dann neuen "Modularen Baukastens" - unter anderem der technischen Basis der nächsten VW-Golf- und Audi-A3-Generation - auf den Markt kommen. In Genf steht das Auto, dem Trend der Zeit folgend, als Elektromobil mit 115 PS starker E-Maschine und Lithium-Ionen-Akku, der angeblich eine Reichweite von 300 Kilometer ermöglicht.
Das Thema Elektromobilität gilt zwar immer noch als attraktive Lösung der CO2- und Treibstoff-Problematik, doch - das wird in Genf deutlich spürbar - der große Hype um Batterieautos ist erst einmal verflogen. Das liegt auch daran, dass es ein ziemlich dickes Brett ist, an dem die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Autobauer derzeit bohren. "Es ist Zeit für eine neue Revolution", sagt Daimler-Chef Zetsche. Einen Satz später kündigt er den Elektro-Sportwagen SLS AMG E-Cell für das Jahr 2013 an. Richtige Revolutionen, das kann man derzeit täglich verfolgen, gehen meist etwas schneller. Und sie werden selten großartig angekündigt.